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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Schuhe und die Handtücher –, auf ein Blumenbeet an der Westseite des Hauses, übergoss sie mit Paraffin und zündete sie an. Als das Feuer erloschen war, gruben sie die Asche in den Boden, und dann breiteten sie neue Plastikfolie im Kofferraum des Audi aus und luden die Einkaufstüten hinein. Eine Tüte mit Haaren und größeren Knochenstücken, die der Mixer nicht hatte pulverisieren können, kam in den Fußraum vor dem Rücksitz. Der Wagen war erfüllt vom fauligen Geruch einer Mischung aus Gedärm und Fäkalien. Sally und Steve behielten die Jacken an, drehten die Heizung auf und öffneten die Fenster.
    Steve kam vom Land in der Gegend von Taunton. Er war ein Wanderer – einer von denen, die sämtliche Messtischblätter der Britischen Inseln säuberlich nach Codenummern geordnet im Regal hatten. Er kannte sich im Grenzland zwischen Somerset, Gloucestershire und Wiltshire besser aus als Sally, und er hatte seine Route schon geplant. Sie berührte Flüsse und Kanäle und Wälder, in denen nachts die Dachse unterwegs waren. Sie berührte auch das Mündungsgewässer des Severn, und Steve watete im riesenhaften grauen Schatten des stillgelegten Atomkraftwerks von Berkeley in den Schlick hinaus. Sie machten an den Rändern einzelner Dörfer halt und quetschten klumpenweise Brei durch die Gullygitter am Straßenrand, und sie stapften über ein Feld in den Mendip Hills und drückten den Inhalt der letzten Tüte durch das Drahtgitter, das einen der alten römischen Bergwerksschächte sicherte. Steve stand in der stillen Dunkelheit über das Drahtgitter gebeugt und lauschte auf das leise, nasse Klatschen des zerkleinerten Körpergewebes an der Schachtwand.
    Ab und zu drehte Sally sich zur Seite und warf einen Blick auf sein Gesicht im Licht der Armaturenbeleuchtung, während er fuhr. Sie sah seine Augen, die fest auf die Straße gerichtet waren, und ein seltsamer Gedanke kam ihr in den Sinn: Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie gleichwertig gewesen. Sie hatten etwas gemeinsam getan. Etwas Hässliches, Perverses, Unvorstellbares, aber getan von zwei gleichrangigen Personen. So verrückt das alles war, aber noch nie war sie jemandem so nah gewesen.
    Er drehte den Kopf und sah, dass sie ihn anschaute. Nur eine Sekunde lang erwiderte er ihren Blick, aber in diesem Moment ging etwas zwischen ihnen hin und her. Etwas, das ihren Magen kribbeln ließ, als sammelte sich dort eine seltsame Kraft. Wie die anfängliche Aufregung vor den Ferien. Das Verlangen zu schreien und zu tanzen. Sie packte eine Handvoll geschreddertes Plastik und warf es durch das offene Fenster in den Fahrtwind, und im Seitenspiegel sah sie, wie es im roten Schein der Rücklichter umherwirbelte wie Konfetti. Es sah so schön aus, dass es zu einem Fest gepasst hätte. Komisch, dachte sie, wie trügerisch alles im Leben war.

ZWEITER TEIL

1
    »Ich habe etwas für Sie.«
    »Wird auch Zeit.«
    »So was geht nicht einfach über Nacht. So läuft das nicht.«
    Der Mann am anderen Ende der Leitung – ein Sachbearbeiter bei der SOCA , der Serious Organized Crime Agency – hatte Zoë und die Art, wie sie auf Antwort drängte, allmählich satt. Heute war Montag, und in den letzten vier Tagen hatte sie mindestens zweimal täglich angerufen, um zu hören, ob die Nachforschungen zu einem aus London stammenden Pornoproduzenten namens London Tarn irgendetwas erbracht hätten.
    »Vielleicht nicht über Nacht, aber innerhalb eines Jahres. Das wäre nicht zu viel verlangt, oder?«
    »Es gibt keinen Grund, sarkastisch zu werden.«
    Wenn Sie nicht so beschissen lahmarschig wären, brauchte ich es nicht zu werden . Das hätte sie am liebsten gesagt, doch sie presste die Lippen zusammen, klopfte mit dem Finger auf den Tisch und riss sich zusammen. London Tarn war der Geschäftsführer des Clubs in Bristol gewesen, in dem sie gearbeitet hatte – der Einzige damals, der ihren wirklichen Namen gekannt hatte. Sie hätte nie gedacht, dass sie noch einmal von ihm hören würde – sie hatte angenommen, er sei irgendwo im Ausland verschwunden, aber nein. Anscheinend hatte sie all die Jahre von geborgter Zeit gelebt, denn er war die ganze Zeit in England gewesen, irgendwo hier in der Gegend, und hätte er sich jemals aus irgendeinem Grund auf einem Polizeirevier wiedergefunden und den Namen Zoë Benedict in Verbindung mit dem Dienstgrad »Detective Inspector« gehört – dann wäre sie im Arsch gewesen. Und zwar gründlich im Arsch. Das war das Problem mit der Vergangenheit. Welche

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