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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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man auf.«
    Zoë schüttelte den Kopf. Wann würden die Leute es lernen? Der Sergeant am Empfang gähnte jetzt und kratzte sich beim Reden an der Brust. »Also, Nial«, sagte sie leise, »wenn sie dich fragen, wo du an dem Abend wirklich warst, was wirst du dann sagen?«
    »Dass ich zu Hause war.«
    »Mit Ralph?«
    »Na ja …« Nial rutschte voller Unbehagen hin und her.
    »Ja?«
    Er rieb sich die Nase und schaute zur offenen Tür. Draußen auf der Straße schien die Sonne. Sein Blick war verlangend – als sei er im Begriff, einen Pakt mit dem Teufel zu schließen, und als sehe er hier vielleicht zum letzten Mal das Tageslicht.
    »Nial?«
    »Nein«, gestand er. »Nicht mit ihm. Ich weiß nicht, wo er war. Aber ich kann Ihnen eins garantieren.« Er sah zu ihr auf. In seinem Gesicht waren rote Flecken. »Ich garantiere Ihnen, er hat Lorne Wood nichts getan.«

4
    Zoë ging in ihr Büro zurück und biss die Zähne so heftig zusammen, dass sie wehtaten. Ralphs Gesicht ging ihr nicht aus dem Kopf, die Riesenangst, die er vor seinen Eltern gehabt hatte. Auch Nial konnte sie nicht vergessen. Er hat Lorne Wood nichts getan . Nial wusste , was sie nur ahnte: dass Ralph kein Mörder war.
    Die Tür zur Einsatzzentrale stand offen, das Whiteboard war vollgekritzelt. Ralphs Foto klebte daran. Sie ging daran vorbei und starrte die Berge von Unterlagen an, die in ihrem Zimmer lagen. Vielleicht war jemand dabei, der vielleicht etwas wusste, das vielleicht bewies, dass sie alle unrecht hatten. Etwas, das Ralph aus der Patsche helfen würde. Sie ließ sich auf den Stuhl fallen, und ein Gefühl der Niederlage beschlich sie. Eine Menge »vielleicht«, und nichts Konkretes. Ralph hatte keine Chance. Nicht die kleinste beschissene Chance.
    Irgendwo draußen wurde eine Tür zugeschlagen. Sie stand nicht auf, aber sie streckte das Bein aus und zog ihre Tür mit der Fußspitze ein kleines Stück weiter auf. Ben kam durch den Korridor. Er hatte eine Akte unter dem einen Arm, hielt seine Brille in der anderen Hand, und er sah angespannt aus, als ob ihm von diesem Fall wirklich der Kopf schwirrte. Nial schlich beklommen hinter ihm her; er bemühte sich, lässig auszusehen, aber das gelang ihm so schlecht, dass er nur verschlagen wirkte. Die beiden sprachen nicht miteinander.
    Zoë wollte sich wieder zurückziehen, als Bens Bürotür aufging und Debbie herauskam. Sie trug ein cremefarbenes Spitzenkleid – feminin und unschuldig –, und ihre gebräunten Füße steckten in hochhackigen grünen Sandalen. Ihr Gang war wiegend, als genieße sie das Leben. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, als sie Nial erblickte. Sie blieb vor der Tür stehen, verschränkte die Arme und runzelte die Stirn, als er vorbeiging. Wie eine Schulleiterin, die soeben dem größten Troublemaker der Schule begegnete. Er hob den Kopf und sah sie mürrisch an, und Debbie schüttelte sehr, sehr langsam den Kopf. Eine Geste, die sagte: Du dummer, dummer kleiner Junge . Und als gebe es auf der ganzen Welt nichts Enttäuschenderes, machte sie kehrt und ging in die andere Richtung davon.
    Zoë stieß die Tür mit dem Fuß ins Schloss, bevor jemand sie sehen konnte, und drehte ihren Stuhl wieder zum Computer um. Ihr Gesicht glühte. Sie krempelte den rechten Ärmel hoch und betrachtete ihre Haut. Sie war übersät von Krusten und Narben. Sie fand eine unversehrte Stelle. Es wäre leicht, die Fingernägel hineinzubohren – so leicht. Sie schloss die Augen. Du musst das nicht, Zoë. Tu’s nicht.
    Der Computer teilte ihr mit einem Piepsignal mit, dass eine E-Mail gekommen war. Sie öffnete die Augen und schaute blinzelnd auf den Bildschirm. Die Mail stammte von einem Detective Sergeant im Koordinationsteam. Neben der Betreffzeile war das Icon einer Büroklammer: Die Mail enthielt einen Anhang. Sie rollte den Ärmel herunter und klickte den Anhang auf. Es war eine pdf-Datei mit drei Teilen: Marc Rainer, Richard Rose und David Goldrab.
    Marc Rainer sah sie sich als Ersten an. Das Foto zeigte ihn beim Verlassen eines Cafés in einer unauffälligen Straße, begleitet von zwei Schwarzen, die in ihren engen Hosen und mit den Afro-Frisuren aussahen, als wollten sie in einem Blaxploitation-Film mitspielen. Rainer war untersetzt und trug einen senffarbenen Rollkragenpullover unter einer braunen Lederjacke. London Tarn war er nicht. Das zweite Foto war im polizeilichen Gewahrsam entstanden. Richard Rose. Ein englischer Name, aber seine Wurzeln waren irgendwo in der Levante, vielleicht in

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