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Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill

Titel: Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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der Türkei oder auf Zypern. Sie klickte den Dritten an. Und dann saß sie da, fast ohne zu atmen, und schaute ihm in die Augen.
    London Tarn. Unverkennbar. London Tarn. Jahre waren vergangen, aber sie hätte ihn überall wiedererkannt.
    Sein Name war David Goldrab.

5
    »Haben Sie schon mal von David Goldrab gehört?« Der uniformierte Inspector blickte von den Überstundenzetteln auf, die er gerade abzeichnete. Zoë stand mit verschränkten Armen in der Tür. »David Goldrab. Anscheinend hat er Verbindungen zu unserer Gegend.«
    Der Inspector legte den Stift aus der Hand und sah sie mit unbewegter Miene an. »Ja …«, sagte er zurückhaltend. »Warum?«
    »Ach, nur so. Sein Name ist mir untergekommen. Ich sehe ihn mir gerade an.« Sie brach ab. Der Inspector zog ein unglückliches Gesicht. »Was ist?«, fragte sie. »Hab ich was gesagt?«
    »Nein. Nur …« Er warf einen Blick auf sein Telefon. »David Goldrab?«
    »Ganz recht.«
    »Ich habe vor ungefähr einer Stunde mit seinem Bruder telefoniert. Ein netter Kerl – rief aus London an und nannte mich einen ›verschissenen Mistkratzer‹ und noch ein paar andere Sachen. Andeutungen über meine Neigung zu Schafen hat er auch gemacht.«
    »Sein Bruder?«
    »Yep. Goldrab hat seit vier Tagen nichts von sich hören lassen. Er wohnt oben in der Nähe von Hanging Hill, und normalerweise spricht er täglich mit seiner Mutter in London, einmal morgens und einmal abends. Aber er meldet sich nicht, und jetzt kriegt sie Anfälle in Serie. Sein Bruder ist am Ausrasten und verlangt, dass wir das gesamte Avon and Somerset Constabulary auf die Suche nach diesem Penner schicken. Der ist also vorbestraft, ja? Wusste ich nicht.«
    »Ist er nicht«, sagte Zoë abwesend. Sie dachte an Hanging Hill. Das lag im Norden der Stadt, mit Blick auf den Caterpillar, diese seltsame Baumreihe auf dem Höhenkamm. Es war eine unheimliche Gegend, feucht und ein bisschen einsam. Die Bushaltestelle dort lag an der Buslinie, die weiter zu Beckford’s Tower führte, wo Ralph sich am Abend ihres Todes mit Lorne getroffen haben wollte – und von der aus man dann zu der Haltestelle am Kanal gelangen konnte. »Eigentlich sollte er vorbestraft sein, aber er ist unter dem Radar weggeflogen. Cleveres Kerlchen. Haben Sie schon was veranlasst?«
    »Jemand von der Netzdatenauswertung wird sich nachher um sein Telefon kümmern, und wir sehen uns sein Bankkonto an, aber da ist er kaum angreifbar. Ein Wagen fährt bei ihm vorbei und wird nach dem Rechten sehen.«
    »Ist er schon weg?«
    Er stand auf und reckte den Hals, um aus dem Fenster auf den Parkplatz zu schauen. »Nein. Sie nehmen den Allradwagen, und der steht noch da.«
    »Okay. Rufen Sie unten an. Sie sollen sich die Mühe sparen. Ich muss in ungefähr zwanzig Minuten sowieso zum Hanging Hill rausfahren. Da kann ich ihnen die Arbeit abnehmen.«
    »Sie werden uns doch nicht auf einmal superhilfsbereit, oder?«
    »Hilfsbereit? Du liebe Güte, nein.« Sie klopfte ihre Taschen ab und suchte ihre Schlüssel. »Ich sage doch, ich muss sowieso da hin.«

6
    Das West Country bekam das Wetter vom Atlantik zuerst. Es bekam den Wind zuerst und den Golfstrom zuerst. Seine Aufgabe war es, Hoch- und Tiefdrucksysteme für den Rest des Landes zu zähmen und sie zu filtern, bevor sie über die mächtigen Städte im Osten hinwegzogen. Aber der Westen war auch daran gewöhnt, bis zuletzt auf die Sonne zu warten. Die Morgendämmerung ließ sich Zeit über Russland, über dem Kontinent, sie kroch über Frankreich, über die Fähren und kleinen Boote auf dem Kanal hinweg, wanderte landeinwärts hinweg über London mit seinen Glastürmen und Stahlgebäuden, die an der Unterseite des Himmels kratzten. Wenn das Tageslicht Bath gefunden hatte, war es des Landes schon müde und lechzte nach dem Blau des Atlantiks. Der Abend in Peppercorn Cottage war eine Fiesta, flammend und lang, aber der Morgen erschien müde, halbherzig und flach, als sei das Licht jetzt nur da, weil es sonst nirgends sein konnte.
    An diesem Montagmorgen war es dunstig. Millie war zur Schule gefahren, und Sally und Steve frühstückten am Küchentisch vor dem Fenster. Als sie fertig waren, saßen sie schweigend da und schauten hinaus in den Garten und über die Felder. Zwischen ihnen auf dem Tisch standen eine leere Cafetière und ein Teller mit Croissants, die sie nicht angerührt hatten. Keiner von beiden hatte viel Appetit; seit Donnerstag waren sie müde, immer nur müde. Sally hatte sich am Freitag

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