Atem - Hayder, M: Atem - Hanging Hill
ausgelassenen Polizistenparty unter dem Tisch gefunden hatte. Von Rechts wegen hätte sie ihn abgeben müssen, doch das hatte sie nicht getan. Sie hatte ihn jahrelang behalten; eines Tages würde er bestimmt nützlich sein, aber jetzt war sie ziemlich sicher, dass sie ihn nicht brauchen würde. Wenn er nicht ans Telefon ging, war er wahrscheinlich nicht zu Hause. Trotzdem zitterte sie, als sie den Mondeo langsam auf das Tor zurollen ließ, sich aus dem Fenster lehnte und auf den Klingelknopf drückte.
Niemand meldete sich. Sie wartete zwei Minuten und klingelte dann noch einmal. Als sich immer noch nichts rührte, parkte sie den Wagen am Wegrand und ging um das Grundstück herum, bis sie eine Lücke in einer Hecke fand. Sie zwängte sich hindurch in den Garten, blieb auf dem Rasen stehen und klopfte ihre Kleidung ab, während sie zum Haus mit seinen riesigen Fenstern und dem gläsernen Wintergarten hinaufschaute. Lorne, dachte sie, hast du je in diesem Garten gestanden? Oder auf der Terrasse dort? Oder hinter einem der Fenster da oben?
Lautlos ging sie die Treppe zu der weitläufigen Sandsteinterrasse hinauf, wanderte an der Rückseite des Hauses entlang und spähte in den zwei Stockwerke hohen Wintergarten mit seinen großen Palmen und den Korbsesseln. Er war von Sonnenlicht durchflutet. Sie legte eine Hand an die Scheibe, um ihre Augen zu beschatten, und sah, dass die Halogenstrahler allesamt brannten. Eine Zeitung lag aufgeschlagen auf einem der Polster. Zoës Neugier erblühte wie eine kleine Knospe. Sie ging zur Glastür und stellte fest, dass sie nicht abgeschlossen war. Sie schob den Kopf hinein, schaute hinauf zur Glasdecke und wartete auf das vertraute Piepen einer Alarmanlage. Aber es kam nicht.
»Hallo?«, rief sie. »Jemand zu Hause?«
Stille. Sie schnupperte. Die Luft roch abgestanden, und es war heiß im Haus, als sei die Heizung aufgedreht. Die Glasscheiben in der Decke des Wintergartens waren beschlagen. Verschwunden, hm? Verschwunden? Sie wühlte ein Paar Latexhandschuhe aus der Tasche und zog sie an, bevor sie eintrat und sich in dem riesigen Raum umsah. Erstaunlich, dachte sie. Das alles nur, weil manche Leute gern anderen Leuten beim Sex zusahen. Sie ging in die große Küche und sah Goldglanz, Marmor und Deckenstrahler. Zwei Champagnergläser standen auf dem Küchentisch, und eins war halb voll. Ein halb verzehrtes Sandwich lag auf einem Teller neben dem Kühlschrank und wurde allmählich hart und grau. In der Mikrowelle stand ein Teller Pasta, ebenfalls eingetrocknet und erstarrt. Sie öffnete den Kühlschrank und sah eine offene Champagnerflasche. Sie durchstöberte die Fächer und fand Vitaminpräparate, Orangensaftkartons, Speck- und Würstchenpackungen. Auf einer marmornen Käseplatte lagen vier Käseecken unter Plastikfolie. Sie nahm eine Tüte küchenfertigen Salat heraus und kontrollierte das Haltbarkeitsdatum: der 15. Mai. Gestern.
»Hallo?« Sie blieb im Flur stehen und rief die Treppe hinauf. »Mr. Goldrab?«
Keine Antwort. Sie ging die Marmortreppe hinauf, und ihre Schritte hallten ringsum von den Wänden wider. Sie sah sich überall im ersten Stock um, in beiden Flügeln des Hauses, öffnete Türen und spähte in Zimmer, die aussahen, als wären sie seit dem Bau des Hauses nie mehr betreten worden. Da war ein Fitness-Studio, ein Heimkino, eine Badewanne mit Klauenfüßen und einem Wasserhahn in Form eines Schwans, und ein Vierpfostenbett in einem der Zimmer hätte Platz für zehn Leute geboten. Aber nirgends ein David Goldrab. Oben auf der Galerie fiel ihr Blick auf eine offene Vitrine. An der Rückwand hing ein Foto von einer nächtlichen Safari. Zwei Aluminiumarme ragten hervor. Eine Ausstellungsvitrine – aber leer. Zoë schloss und öffnete die Glastür versuchsweise und betrachtete erst das Schloss, dann die Aluminiumhalterung. Was immer da fehlte, war wichtig.
Sie suchte im Erdgeschoss, aber sie fand ihn nicht. Ein Büro mit Blick auf den Garten hinter dem Haus war voll von Computern und DVD -Playern; alle waren schwarz, und rote Dioden blinkten an den glänzenden Fronten. Ein maßgefertigtes Bücherregal aus einem rötlichen Holz – vielleicht Walnuss – füllte eine Wand aus und war voll von Fotos. An zwei Computern leuchtete ein Lämpchen. Als sie die Maus des ersten hin und her schob, erwachte der Bildschirm zum Leben. Eine Tabelle mit Zahlen in drei Spalten. Ein kleiner Schubs, und auch der zweite PC kam zu sich. Auf seinem Monitor erschien eine Ansammlung von
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