Atemlos
vielleicht sogar per Kamel antransportiert worden.«
Der Whisky schmeckte gut, doch nach dem ersten Schluck hatte ich keinen weiteren Appetit darauf. Ich sagte: »Aber das unglaublichste war heute diese komische Giraffe.«
»Sind eben ganz zivilisierte Menschen hier«, sagte er. »Sperren nun mal nicht gern andere Geschöpfe in Käfige ein. Ist mit Kamelen genauso.«
»Wie meinen Sie das?«
»Well, ein von Tuareg gezüchtetes Kamel ist mehr wert als ein von Arabern gezüchtetes Kamel. Ein Targui behandelt sein Kamel freundlicher – und das Kamel reagiert darauf. Wirklich nette Leute hier.«
Da hatte ich wieder etwas zum Nachdenken, als ich in dieser Nacht zu den Sternen hochsah.
Danach passierte fürs erste nicht sehr viel, außer daß ich an einen neuen Anzug kam und Kamelreiten lernte, und das eine hing mit dem anderen zusammen. Byrne fuhr zu seiner Herde raus, und als ich mich zu meiner ersten Kamelreitstunde in Jeans vorstellte, schüttelte er feierlich den Kopf. »So geht's nicht«, sagte er. »So geht es wirklich nicht.«
Da zog ich mich dann eben wie ein Targui an – locker fallende, sackartige Hosen aus schwarzer Baumwolle, die eng um die Knöchel saßen, dazu eine weiße Gandura, wie das Tuareg-Gewand heißt, und noch eine blaue Gandura darüber. Außerdem noch eine Dschellabah, für kalte Tage oder nachts. Dies alles wurde schließlich im wahrsten Sinn des Wortes von einem Chech gekrönt – der bestand aus fast sieben Metern schwarzer Baumwolle, fast einen halben Meter breit, und Byrne gab sich viel Mühe, mir zu zeigen, wie man sich das alles um Kopf und Gesicht wickelt.
Als ich mich endlich mit diesem ganzen Staat herausgeputzt hatte, fühlte ich mich ziemlich blöde und befangen, doch das verlor sich schnell, denn es schaute niemand hin, außer Billson natürlich, aber was der dachte, war mir nun wirklich scheißegal. Auf jeden Fall dachte er nicht daran, seine Kleidung zu wechseln oder auf einem Kamel zu reiten, offenbar hegte er die altmodischen britisch-imperialistischen Vorbehalte gegen Verbrüderung mit Eingeborenen.
Ein Kamel wird, wie ich nun feststellte, nicht wie ein Pferd vom Maul her geführt. Sobald man im Sattel sitzt – in einem Tuareg-Sattel natürlich, mit sesselartiger Rückenlehne und Sattelknauf vorn –, legt man dem Tier die nackten Füße ins Genick und dirigiert es, indem man, je nachdem, die eine oder die andere Nackenseite reibt. Auf einem Kamel zu sitzen, während es sich vom Boden erhebt, kommt freilich einem Erdbeben-Erlebnis nahe und stürzt den unerfahrenen Reiter in Panik – aber nur, bis man sich daran gewöhnt hat.
Ich brach mit Byrne und Hamiada und zwei mitgeführten Lasttieren zu den Weidegründen nahe Telouess auf; eine Woche wollten wir unterwegs sein, denn frühestens in vierzehn Tagen war, wie Byrne erklärte, eine brauchbare Antwort auf unsere Flugblatt-Kampagne zu erwarten. Byrne hatte den Besitzer der Tankstelle eingespannt, um die Flugblätter in Packungen zu fünfhundert Stück auf die zwanzig wichtigsten Oasen südlich des Atlas-Gebirges zu verteilen. »Und so viel Zeit brauchen wir auch, um Paul in Form zu bringen«, sagte Byrne. »Denn eins ist sicher – wenn wir das Flugzeug überhaupt finden, dann in der lausigsten Gegend, die Sie je gesehen haben. Sonst hätten es die Franzosen bestimmt schon vor Jahren entdeckt.«
Was Billson während unserer Abwesenheit trieb, weiß ich nicht. Ich hab's nie erfahren, ich habe auch nicht danach gefragt.
Rückblickend halte ich die Wandertage in der Air für die idyllischste Zeit meines Lebens. Unser Lebensrhythmus paßte sich dem langsamen Schritt der Kamele an, das Land war weit und leer. Mühelos, ohne Zwang und ohne Widerstand, verfällt man diesem Rhythmus, der nicht vom Drängen anderer Menschen bestimmt wird, sondern von der Sonnenbahn über dem Himmel, vom leeren Magen und von den natürlichen Bedürfnissen der Tiere, die einen tragen.
Wir fanden die Herde, wir schauten uns die Tiere an, wir stellten fest, daß sie in guter Verfassung waren. Beaufsichtigt wurden sie von einer Tuareg-Familie, deren Oberhaupt Radbane hieß. »Diese Leute«, sagte Byrne, »gehören dem Stamm der Kel-Ilbakan an, ein Vasallenstamm südlich von Agades. Sie weiden ihre Herden im Winter hier und helfen bei mir aus.«
Wir nahmen Radbanes Gastfreundschaft an und verbrachten zwei Tage in seinem Lager, dann ritten wir westwärts und umgingen einen Berg, der Bagzans hieß. Am neunten Tag, wir hatten unser Lager vor
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