Atemlos
verbrannt.«
»Da kann ich aushelfen«, sagte ich. »Ich habe Fotokopien bei mir, die ich mir in der Luftfahrt-Abteilung des Wissenschaftlichen Museums in London beschafft habe. Nicht Billsons Flugzeug – aber genau derselbe Typ.«
»Das ist gut«, sagte Byrne. »Die bringen wir mit auf das Flugblatt. Vielleicht ist eine Zeichnung sogar besser.« Er richtete seinen Schleier und stand auf. »Nur eins haben wir vielleicht nicht bedacht.«
»Und zwar?«
»Wenn der Bursche, der auf Paul geschossen hat, sich immer noch in der Gegend rumtreibt und ebenfalls von den Flugblättern erfährt, dann zieht es ihn hierher wie eine Hornisse zum Honigtopf. Das kann noch ganz interessant werden.«
Interessant – wie Byrne doch immer wieder das treffende Wort fand …
19. Kapitel
Billson fand unser Vorhaben offensichtlich so selbstverständlich, als wären wir ihm das schuldig. Er hielt es nicht einmal für nötig, ein Dankeschön von sich zu geben. Am liebsten hätte ich ihn mir gepackt und ihm eine halbe Unze Verstand ins Hirn geprügelt – aber er war nun mal so, und ändern würde er sich wohl auch nicht mehr. Byrne setzte sich hin, um das Flugblatt zu entwerfen, und ich spazierte von dannen, um über alles nachzudenken – hauptsächlich über Byrne –, denn vom Nachdenken über Paul hatte ich die Schnauze voll.
Was ich von Byrnes Kamelen gesehen hatte, ließ die Vermutung zu, daß er seinen ganzen Stolz darein setzte, eine außergewöhnlich hochwertige Klasse zu züchten. Wenn seine Angaben über die Kamelpreise stimmten, und demnach ein gewöhnliches Lasttier hundert Pfund kostete, dann durften seine Tiere hundertfünfzig Pfund wert sein. So gerechnet, konnte man sein Vermögen mit fünfundvierzigtausend Pfund beziffern – allein schon für die Kamelzucht, andere Unternehmungen nicht gerechnet. Aber außerdem machte er, wie er erwähnt hatte, auch noch Geschäfte mit Salzkarawanen. Ob das gewinnträchtig war, entzog sich meiner Beurteilung – aber wie ich ihn inzwischen kannte, brachte es sicher Profit. Dazu kam, was er von Hesther Raulier für die Betreuung ihrer geschäftlichen Interessen in der Wüste bezog – wenngleich ich mir darunter nun überhaupt nichts vorstellen konnte –, und daneben durfte man gewiß weitere Einkommensquellen vermuten. Alles in allem mußte Byrne in der Gesellschaft, in der er sich eingelebt hatte, als wohlhabender Mann gelten. Ich weiß nicht, wie weit der Geldverkehr bei den Tuareg um sich gegriffen hatte – bis dahin hatte ich wenig vom Austausch Geld gegen Ware gesehen –, aber selbst, wenn man in dieser Gesellschaft nur einen primitiven Tauschhandel Ware gegen Ware voraussetzte, war Byrne nach Wüstenmaßstäben ein reicher Mann. Ein seltsames Schicksal – dieser desertierte Sergeant Byrne aus Maine in USA …
Am nächsten Tag fuhr ich mit Byrne nach Agades. Paul blieb, weil Byrne darauf bestand, zu Hause. »Ich will nicht, daß man Sie in Agades zu sehen bekommt«, sagte er. »Sie fallen da auf wie der Baum von Ténéré. Sie bleiben hier. Und keinen Schritt vor die Tür. Verstanden?«
Paul verstand. Weniger, was Byrne sagte, sondern vielmehr, wie er es sagte – das drang ihm unter den dicken Schädel.
Im Wegfahren sagte Byrne: »Und Hamiada wird schon dafür sorgen, daß er auf seinem Arsch sitzen bleibt.« Eine Spur von Belustigung klang in seiner Stimme mit.
Ich sagte: »Was ist das für ein Baum, den Sie vorhin erwähnten?«
»Der Baum von Ténéré?« Er wies nach Osten. »Der steht da draußen irgendwo. Der einzige Baum übrigens, soviel ich weiß, der auf einer Karte verzeichnet ist. Auch auf Ihrer Karte. Schauen Sie nach.«
Das tat ich dann auch – und da stand er: L'Arbre du Ténéré, etwa hundertfünfzig Kilometer nordöstlich von Agades im Erg du Ténéré. Diese Gegend stellte sich auf der Karte in Gelb dar – in der Farbe der Wüste. »Warum ist dieser Baum eingezeichnet?«
»Weil fünfzig Kilometer im Umkreis kein anderer Baum steht«, sagte er. »Der einsamste Baum der Welt. Was aber trotzdem, so um 1960, einen idiotischen französischen Lastwagenfahrer nicht daran hinderte, frontal auf den Baum draufzubrummen. Ein sehr alter Baum – steht schon Hunderte von Jahren da. Nebendran ist ein Brunnen, aber das Wasser ist miserabel.«
Das stand auch auf der Karte: Eau très mauvaise à 40 m.
Bis Agades waren es über hundertsechzig Kilometer auf holpriger Piste. Und obwohl wir auf dem letzten Stück schneller vorankamen, weil die
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