Atemlos
schlecht. Damit hofften sie, auch bei maximaler Belastung den Druck auf die Bodenfläche so ausjonglieren zu können, daß er pro Quadratzentimeter dem Gewicht eines Kamels entsprach. Wirklich ein hübsches Spielzeug.«
»Genial.«
»Fast.« Er lachte. »Aber sie gingen schlampig mit dem Ding um. Fünf Reifen saßen verkehrtherum dran. Und ein paar Wochen später hörte ich, was passiert war. Auf einer Fahrt machten die Russen abends Rast, aßen zu Abend und legten sich dann schlafen. Der Brummer stand auf fech-fech, und mitten in der Nacht brach er durch. Die Russen hatten unter dem Wagen geschlafen – sie kamen beide ums Leben. Sie sind nie rausgeholt worden. Der Apparat steht immer noch im Sand.« Wieder schwieg er eine Weile, dann gab er seinen Kommentar: »Lausige Stinkpötte! Hab' sie nie leiden können. Außer, wenn ich's eilig habe, wie jetzt.«
Nach einiger Zeit flachten die Dünen zur Ebene ab, und wiederum einige Zeit später rief Byrne: »Der Baum!« In der Ferne, am Horizont voraus, schien ein schwarzer Punkt auf, der genausogut eine optische Täuschung sein konnte – ein Stäubchen im Auge –, sich aber dann doch als einsamer Dornbaum mit weitausgebreiteten Zweigen entpuppte. Auch der Brunnen war da, in einiger Entfernung, und der ganze Boden ringsum war mit Kamelmist, der wie Oliven aussieht, übersät. Ein paar Kamelskelette lagen auch herum, manche noch mit Fell überzogen, sie waren von der trockenen, heißen Wüstenlandschaft mumifiziert worden.
Byrne sagte: »Wir machen hier Rast und genehmigen uns eine Mahlzeit. Aber nicht am Brunnen. Da sind mir zu viele stechfreudige Insekten.«
Wir fuhren in einiger Entfernung vorbei, und plötzlich sagte Paul: »Da steht ein Mann an dem Baum.«
»Tatsächlich«, sagte Byrne. »Ein Mann allein. Das ist ungewöhnlich. Fahren wir mal hin und fragen ihn, wer er ist.«
Byrne schlug das Lenkrad ein, unter dem Baum hielt er an. Der Mann war kein Targui; er trug keinen Schleier, und seine Haut war dunkel – tiefes, sattes Braun. Er war auch kleiner als die Tuareg und nicht sehr gut gekleidet. Er trug eine schwarze Gandura, sein Kopftuch war wirr verschlungen.
Byrne stieg aus und sprach eine Zeitlang mit dem Mann, dann kam er zum Wagen zurück. »Ein Teda aus der Tibesti. Er steht schon seit drei Tagen hier und wartet, daß jemand vorbeikommt. Er will nach Osten und kann allein nicht weiter.«
»Wie ist er denn bis hierher gekommen?«
»Zu Fuß. Hat's gerade noch so eben geschafft. Die zwei letzten Tage ohne Wasser. Hast du was dagegen, wenn wir ihn mitnehmen?«
»Es ist dein Wagen«, sagte ich. »Und du bist der Boß.«
Byrne nickte und winkte dem Mann. Langsam schritt er auf den Toyota zu. Er hatte einen vergammelten Ziegenlederbeutel bei sich, der – wie Byrne erklärte – dscherba genannt wird und in dem die Wüstenbewohner Wasser mit sich führen. Byrne zeigte auf den Beutel, stellte eine Frage und deutete auf den Brunnen. Der Mann gab eine Antwort und entleerte dann, auf ein Wort von Byrne, die dscherba in den Sand.
»Man kann's natürlich trinken, wenn's unbedingt sein muß«, sagte Byrne. »Aber wirklich nur im Notfall. Vor ein paar Jahren ist eine Antilope in den Brunnen gestürzt, und seitdem ist das Wasser verdammt miserabel.«
Als wir weiterfuhren, fragte ich: »Wie heißt der Mann?«
»Das hat er nicht gesagt. Er hat nur gesagt, früher hätte er den Namen Konti getragen.«
»Sehr komisch«, meinte ich.
»Keineswegs«, erklärte Byrne. »Es bedeutet nur, daß er ein Mörder ist.« Byrne schien das nichts auszumachen.
Ich drehte mich um und sah mir den Mann hinten im Wagen an, der einmal Konti geheißen hatte. »Was, um Himmels willen …«
»Schon gut«, sagte Byrne. »Er wird uns nicht umbringen. Das ist kein Berufsmörder. Wahrscheinlich hat er zu Hause jemanden aus Blutrache umgebracht und mußte dann verduften. Jetzt glaubt er wohl, ungefährdet wieder heimkehren zu können, oder er hat Bescheid bekommen, daß die Familie das Blutgeld bezahlt hat.«
Byrne hielt den Wagen einen guten Kilometer hinter dem Baum an. Wir stiegen aus. Byrne holte ein Metallrohr aus dem Wagen. »Hilf mir mal, das Ding zu füllen«, sagte er. Am Rohrende saß ein Messingverschluß, den er abschraubte. Nun sah ich, daß das Ding aus zwei ineinanderliegenden Rohren bestand. Byrne füllte den Zwischenraum zwischen den Rohren, die Außenwandung also, mit Wasser aus einem Kanister. »Das ist nach dem Vulkanprinzip gebaut«, sagte er dabei. »Die
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