Atemlos
Lokalkolorit für meine Recherchen – Bailly kann es mir nur schwer vermitteln.«
»Ich will mein Bestes versuchen«, sagte Byrne bescheiden. Der Kellner nahm wieder die Bestellung auf, und ich gab ihm mein leeres Glas.
Kissack sagte wie nebenbei: »Ist Ihnen übrigens schon mal ein Mann namens Billson begegnet?«
»Kenn ich nur vom Hörensagen. Nicht persönlich.«
»Ach!« Kissack schien sehr zufrieden. »Wissen Sie, wo er ist?«
»Er ist tot, Mr. Kissack«, sagte Byrne.
»Wissen Sie das genau?«
»Das will ich nicht sagen«, gab Byrne zu. »Den Totenschein habe ich nicht gesehen. Aber ich schätze schon, daß er tot ist.«
Kissack zog die Stirn in Falten. »Woher wissen Sie das?«
»Mensch, Kissack!« sagte Byrne. »Was sonst? Seine Kiste ist vor über vierzig Jahren zu Bruch gegangen! Sie glauben doch nicht, daß er immer noch durch die Wüste zieht wie die Kinder Israels!«
Kissacks Stimme war belegt. »Den Billson meine ich nicht.«
»Ach«, sagte Byrne, »ich dachte, Sie interessieren sich für Flugzeuge.« Der Kellner stellte das Bier vor ihm auf den Tisch, und Byrne nahm es auf.
»Ihr Billson«, sagte Kissack geduldig, »wann ist das passiert?«
»Das war 1936 bei der London-Kapstadt-Rallye.« Er zuckte die Achseln. »Und er ist nicht mein Billson.«
»Wissen Sie vielleicht, wo das Flugzeug ist?«
»Das weiß niemand«, sagte Byrne. »Hab' ich Ihnen doch schon erklärt – die Wüste hält vieles verborgen. Hol's der Geier – in fünftausend Quadratkilometern Wüste können Sie eine ganze Luftflotte verstecken!« Er trank von seinem Bier. »Nicht, daß ich uninteressiert wäre, wenn's jemand findet.«
»Sie suchen es nicht zufällig gerade jetzt?« fragte Kissack.
»Warum, zum Teufel, sollte ich das? Ich weiß mit meiner Zeit etwas anderes anzufangen. Wenn man irgendwann dieses Flugzeug findet, liegt es bestimmt in einem verflucht unwegsamen Teil der Wüste, sonst war schon längst jemand darüber gestolpert. Ich hab' wirklich was Besseres zu tun, als mir dafür den Hals zu brechen.«
Kissack schob seine Hand in die Brusttasche. Er holte einen Zettel heraus, den er auseinanderfaltete und auf den Tisch legte. »Ich selbst kann das nicht lesen, aber Bailly hat es mir übersetzt«, sagte er. »Ich fand es außergewöhnlich interessant.«
»Nun ja, als Reporter.«
»Und Sie behaupten immer noch, daß Sie nicht nach diesem Flugzeug suchen?«
»Nur so nebenbei.« Byrne zeigte auf das Flugblatt. »Solche Dinger lasse ich alle drei, vier Jahre verteilen – so aufs Geratewohl. Ich sagte es Ihnen schon, ich war Kriegsflieger. Sogar hier in Nordafrika. Flugzeuge in der Wüste interessieren mich nun mal, zumal ich selbst eins in den Sand gesetzt habe. Vielleicht schreibe ich darüber mal ein Buch.«
»Zweifellos eine wissenschaftliche Untersuchung«, höhnte Kissack. »Analytische Betrachtung von Flugzeugunglücken in der Sahara.«
»Ich weiß schon, daß sich das ziemlich spleenig anhört.« Byrne zuckte die Achseln. »Aber das ist nun mal mein Hobby. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie albern Briefmarkensammeln ist?«
»Teures Hobby«, sagte Kissack. »Zehn Kamele kosten doch allerhand.«
»Für Sie vielleicht.« Byrne hob die Schultern. »Ich bin Züchter.« Er grinste Kissack an. »Ich kriege Kamele zum Gestehungspreis, wie Sie vielleicht sagen würden. Und über drei oder vier Jahre verteilt sind zehn Kamele keine Affäre.«
Kissack machte ein verblüfftes Gesicht. Was Byrne ihm da vorgesponnen hatte, war so irre, daß es schon wieder nach Wahrheit klang. Kissack holte tief Luft, dann sagte er: »Der Mann, den ich suche, heißt Paul Billson.«
»Paul Billson.« Byrne schmeckte den Namen mit einem Schluck Bier ab. »Paul Billson.« Er schüttelte den Kopf. »Kann nicht sagen, daß ich den Namen schon mal gehört hätte. Irgendwie verwandt?«
»Weiß ich nicht«, sagte Kissack scheinheilig. Er pochte mit dem Zeigefinger auf das Flugblatt. »Hat das schon was gebracht?«
»Bis jetzt nicht. Dieselben Einsendungen wie bei meiner letzten Flugblatt-Aktion.«
Kissack sah ihn lange wortlos an. Byrne machte eine Bewegung. »Möchten Sie sonst noch was wissen?«
»Im Augenblick nicht«, sagte Kissack.
Byrne stand auf. »Well, Sie wissen ja, wo ich zu finden bin, wenn Sie mich brauchen. Da oben bei Timia. Nett, Sie kennengelernt zu haben, Mr. Kissack. Hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben.« Freundlich nickte er Bailly zu. »Bonjour, Monsieur Bailly!«
Bailly brummte mal
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