Atevi 3 - Erbe
anscheinend gut allein zurechtkam. Auf dem Weg nach draußen, kam Bren an Jago vorbei. »Ein Anruf von der Insel«, sagte er ihr. »Ich bin im Büro und gleich wieder hier.«
»Ja«, sagte Jago und heftete sich ihm an die Fersen. Offenbar hielt sie für möglich, daß man ihn in eine Falle zu locken versuchte, woran er überhaupt nicht gedacht hatte. Sie blieb am Rand der Halle zurück, als er die wenigen Schritte zum Privatbüro zurücklegte, wo ihm eine der Dienerin schon die Tür aufhielt.
Er trat ein und nahm den Hörer zur Hand. »Hallo?« sagte er. »Hier spricht Bren Cameron.«
»Bren, ich bin’s, Toby.« Fast hätte er die Stimme nicht wiedererkannt. »Ich dachte, es wäre vielleicht Zeit, daß wir uns bei dir melden.«
»Allerdings. Wie geht es dir? Wie geht es Mutter?«
Eine vielsagende Pause. Dann: »Ein Herzanfall. Zum Glück nicht allzu ernst. Wie geht es dir?«
Er hatte schon Schlimmeres befürchtet und spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Er setzte sich. »Mir geht’s gut. Sag ihr das. Hör zu. Ich will, daß du Barb anrufst und ihr sagst, daß sie mich anrufen soll.«
»Nein, kommt gar nicht in Frage! Komm doch zurück, wenn du wieder was von ihr willst und sag’s ihr selbst. Außerdem gibt es hier jede Menge anderer Dinge, um die du dich kümmern solltest. Und hör auf zu verlangen, daß wir uns um deine verfluchten Geschichten kümmern. Mama wird noch in dieser Woche operiert. Sie braucht dich, Bren. Sie will, daß du zurückkommst.«
»Das kann ich nicht.«
»Ich kann auch nicht länger hier in der Stadt bleiben und meine Arbeit ruhen lassen, tue es aber trotzdem. Jill kann’s nicht mehr ertragen, von Idioten am Telefon belästigt zu werden. Wir mußten von zu Hause weg und hierher kommen. Ich kann meine Familie nicht allein auf die Straße lassen. Du weißt doch hoffentlich, weshalb Mutter ins Krankenhaus mußte. Ja, deinetwegen! Ihr Haus wird mit Farbbeuteln beworfen. Der Vermieter will sie vor die Tür setzen…«
Bren versuchte, über das Unliebsame hinwegzuhören und das Wichtige herauszufiltern – und mußte daran denken, daß auf beiden Seiten der Meerenge Wort für Wort mitgeschnitten wurde. »Toby. Ruf im Auswärtigen Amt an. Frag Shawn…«
»Das hab’ ich längst versucht. Ich komme nicht durch. Von den Rufnummern, die du mir genannt hast, stimmt keine mehr, und nach dem, was in den Zeitungen steht, muß man sich fragen, ob Shawn überhaupt noch auf seinem Posten ist.«
»Was steht denn in den Zeitungen? Es wird doch wohl nicht die Rede davon sein, daß…«
»Schluß jetzt! Wie käme ich denn dazu, dir deine Arbeit abzunehmen? Ich bin dein Bruder und nicht irgendein Angestellter im Ministerium. Und ich will, daß du zurückkommst, Bren. Allein schon unserer Mutter wegen. Und sei’s nur für eine Woche. Eine Woche, mehr verlange ich nicht von dir.«
»Unmöglich.«
»Von wegen! Sag dem Aiji, daß deine Mutter womöglich bald stirbt, verdammt, und daß sie dich sehen will.«
»Toby…«
»Ach ja, zum Teufel, ich vergaß. Du kannst dich, was deine Gefühle angeht, nicht verständlich machen, nicht wahr? So was raffen die nicht. Nun, aber wie steht’s mit dir, Bren? Ist dir nur noch dein Amt wichtig und die Familie einerlei?«
»Toby.«
»Ich will deine Entschuldigungen nicht hören. Ich habe dich immer in Schutz genommen und manches verschwiegen, wovon ich wußte, daß es dich unglücklich machen würde. Aber jetzt sag’ ich’s dir: Mama schwebt in Lebensgefahr und ich kann es nicht riskieren, mit meiner Familie nach Hause zurückzufahren, und ich habe eine Heidenangst, daß in unserer Abwesenheit unser Haus in Brand gesteckt wird.«
»Gedulde dich noch ein wenig, Toby, bitte.« »Ich kann nicht. Verdammt, ich will auch nicht! Ich bin es leid, ständig allen erklären zu müssen, was mein Bruder so treibt. Wir blicken doch selbst nicht mehr durch. Wie, zum Teufel, sollen wir’s anderen begreiflich machen?«
»Du weißt genau, was auf dem Spiel steht, Toby. Komm mir nicht so. Du weiß, was läuft und worauf gewisse Personen aus der Regierung aus sind.«
»Wovon redest du? Vermutest du den Feind etwa jetzt bei uns?«
»Ich sage, ruf Shawn an!«
»Und ich antworte: Shawn ist nicht zu erreichen. Und die Polizei rührt keinen Finger für uns, sieht tatenlos mit an, wie man meine Familie und unsere Mutter terrorisiert.«
»Du tust gerade so, als hätte sich alles gegen euch verschworen. Dabei sind’s in Wahrheit bloß eine Handvoll Idioten, jämmerliche
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