Atevi 3 - Erbe
Feiglinge, die…«
»Es sind unsere Nachbarn, Bren, Leute, die ich seit über zehn Jahren kenne und die jetzt kein Wort mehr mit mir reden.«
»Dann unterhalte dich doch mit anderen.«
»Davon hat Mama nichts. Man will sie aus dem Haus rausekeln, in dem sie nun schon all diese Jahre wohnt. Kannst du dir vorstellen, wie ihr zumute ist? Was sagst du dazu?«
Es war inzwischen fast ein Reflex, daß er seine Gefühle zum Schweigen brachte. Er war Übersetzer, notgedrungen auch Diplomat, sogar ein angehender Lord des Westbundes. Auf solche Auseinandersetzungen durfte er sich nicht mehr einlassen; sie führten zu nichts und waren auf demselben kindischen Niveau wie jene letzte emotionale Abrechnung mit dem Bruder. Toby war an die Küste gezogen. Er, Bren, glaubte nach wie vor, daß der Bruder in erster Linie Abstand von der Mutter gesucht hatte. Er selbst war zur Uni gegangen und in die Laufbahn eingeschwenkt, die seinen Begabungen entsprach. Wer hätte absehen können, daß er dort landen würde, wo er sich jetzt befand?
»Sag Mutter, daß ich sie liebe«, sagte er und beendete das Gespräch.
Der kleine Knacklaut im Hörer ließ eine lebenswichtige Verbindung abreißen, und ihm schwante, daß sie nie wieder herzustellen sein würde. Daß er sich im Griff behielt und die Miene vom Aufruhr im Innern nichts preisgab, war das Ergebnis strenger Ausbildung. Er blieb noch einen Moment sitzen, ließ, um sich neu zu orientieren, seinen Blick durch Damiris Büro schweifen, und vernahm jenseits der Stille, die mit dem Knacken in der Leitung eingesetzt hatte, wieder die Geräusche, die von der Gesellschaft herüberdrangen. Es half nichts, er mußte wieder aufstehen und funktionieren, mit sehr gefährlichen Leuten Konversation treiben und auf Jason aufpassen.
Und er mußte das Gespräch mit Ilisidi wiederaufzunehmen versuchen, an der richtigen Stelle und in der rechten Stimmung.
Probleme, die nicht zu lösen waren, ließen sich immerhin bis auf weiteres mental unter Verschluß halten, wenn es darauf ankam, seinen Job zu tun.
Und der ging, verdammt noch mal, vor! Er war wütend auf Toby, der genau wußte, was da im Ministerium vor sich ging, und Auskunft hätte geben können in Angelegenheiten, die womöglich über Krieg oder Frieden entschieden. Doch dafür fehlte Toby jeder Sinn, weil sein privater Friede gestört war und ihm die persönlichen Sorgen und Probleme anscheinend über den Kopf wuchsen.
Jago zeigte sich in der Tür. Sie hielt ihren Taschen-Kom in der Hand. Hatte ihn gebraucht, dachte er; vielleicht sogar, um sein Telefonat über eine von der Wachstube bereitgestellte Freischaltung mitzuhören. Die Überwachung war hier immer streng, in jüngster Zeit auch ganz offensichtlich, fast eine Selbstverständlichkeit, die nicht mehr erklärt werden mußte. Das hatte manchmal etwas für sich. »Der Aiji ist im Bilde, Nadi-ji.« Er registrierte: Sie nannte ihn nicht bei dem vertrauten »Bren-ji«, sondern in der distanzierteren Form, kombiniert mit einer persönlichen Note. Jago gab sich geschäftsmäßig, wofür er dankbar war. Sie nahm weit mehr Rücksicht auf ihn als der eigene Bruder. »Mein Man’chi«, sagte er in Anbetracht des großen Fragezeichens, das Atevi, wie er wußte, hinter ihn als Paidhi setzten, »gilt nach wie vor meinem Amt und dem Aiji. Das können Sie ihm sagen, Nadi.«
»Er würde gern mit Ihnen sprechen, unter vier Augen, was aber im Frühstücksraum nicht möglich ist, und von dort kommt er vorerst nicht weg. Ich soll Ihnen jedenfalls ausrichten, daß er Sie nun drängt anzunehmen, was er Ihnen bereits angeboten hat, nämlich daß Sie Ihre Familie aufs Festland holen. Er will Ihnen Wohnsitz und Ländereien zur Verfügung stellen, die einem Mann Ihres Ranges gebühren, Nadi-ji. Wenn Sie ihn darum bitten, wird er sich bei der Regierung von Mospheira dafür einsetzen, daß Ihre Angehörigen ungehindert und mit allem, was sie mitbringen möchten, übersiedeln können. Der Aiji weiß um Ihre Sorgen, Nadi-ji, und will alles tun, um Schaden von Ihrem Haus anzuwenden.«
»Sagen Sie ihm…« Bei seinem letzten Handel mit der Regierung von Mospheira hatte Tabini mit der Erschießung Deana Hanks’ gedroht, falls man ihn, den Paidhi, nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden ausreisen ließe. Tabinis Angebot würde hohe Wellen schlagen und nicht ohne Zwangsmittel zu realisieren sein. Doch womit könnte er diesmal drohen? »Sagen Sie ihm, daß ich mich durch dieses Angebot sehr geehrt fühle und daß mir
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