Atevi 3 - Erbe
Sonne den Schnee vergoldete und das Immergrün schwarz wurde.
Wenn am Morgen aus blauen Schatten der Nebel aufstieg und der Wind flüsternd über gefrorene Oberflächen wehte – dann wähnte er sich ganz und gar lebendig.
Jason hätte unter solchen Umständen wahrscheinlich nur Angst.
Seufzend streckte sich Bren aus, legte die Füße übereinander und bat um ein Glas Fruchtsaft.
»Möchten Sie auch eins, Jasi-ji?«
»Ja, gern«, antwortete Jason.
Schon sehr viel besser.
Der Fruchtsaft wurde serviert. »Hübsche Wolken«, bemerkte Bren, worauf Jason zum Fenster hinausschaute und bestätigend nickte.
Endlich Ferien, dachte Bren, Ferien, die er bitter nötig zu haben glaubte – er nippte am Glas und starrte auf den leeren Sitz gegenüber, auf dem für gewöhnlich Jago saß – hatte er doch kaum mehr weiter gewußt und hinter jedem Lilienblatt aus Porzellan Hinweise auf verschwörerische Umtriebe gewittert.
Ja, alles, was ihm in jüngster Zeit zu schaffen machte und, oberflächlich betrachtet, ohne Zusammenhang zu sein schien, ließ sich auf den gemeinsamen Nenner einer groß angelegten Verschwörung bringen: angefangen von den fraglichen Gründen, die zum Attentat auf Saigimi geführt hatten, über das, was Hanks bezweckte, Direisos Machenschaften, den gesetzwidrigen Funkverkehr, bis hin zu den Farbbeutelanschlägen auf das Haus seiner Mutter.
Er bereute es, das Telefongespräch mit Bruder Toby so harsch abgebrochen zu haben. In dieser Woche stand die Operation der Mutter an. Und er würde über Verlauf und Ergebnis in nächster Zeit nichts erfahren. Damit mußte er sich abfinden.
Wie viel schwerer mußte Jason daran schlucken, der, ehe er sich freiwillig auf dem fremden Planeten hatte absetzen lassen, nie von seiner Familie und der ihm vertrauten Umgebung getrennt gewesen war.
Bren nahm einen Schluck und schien Jason daran zu erinnern, daß auch er einen Drink in der Hand hielt.
Die Maschine schwenkte auf westlichen Kurs ein, worauf Jason einen scheuen Blick nach draußen warf. »Alles in Ordnung.«
Jason holte tief Luft. »Werden wir das Wasser von oben erkennen können, Nadi?« »Ich glaube ja, wenn die Sicht frei ist.« Warum sich Jason in seinen Wünschen so sehr auf das Meer versteift hatte, konnte sich Bren nicht erklären; aber immerhin, so dachte er, gab es für Jason ein Ziel, das sich mit seiner, Brens, Hilfe erreichen ließ. Er stand auf und wechselte ein paar Worte mit Banichi.
Auf Wunsch des Paidhi und mit Erlaubnis der örtlichen Flugsicherung nahm der Pilot einen abweichenden Kurs, flog tief über den Wasserrand und hinaus aufs Meer bis hin zur Ferieninsel Onondisi, die in der Bucht lag und einen wunderschönen Anblick bot. Bren stand auf, hielt sich, in schlechter Erinnerung an hasardierende Inselpiloten, an einem Handgriff fest und schaute Jason über die Schulter auf das felsige Eiland mit seinen Klippen im Norden und einem Sandstrand im Süden, wo auch die Hotels und Pensionen gelegen waren.
»Schmelzwasser«, sagte Jason voller Bewunderung. »All das Schmelzwasser.«
Manchmal brachte er es fertig, Bren in heilloses Staunen zu versetzen.
»Geschmolzen ist es, soviel steht fest.«
»Ist es warm?«
»Wie das Wasser, das aus der Leitung kommt.« Bren deutete auf eine Anhöhe, wo zwischen mächtigen Bäumen gewürfelte Bauten auszumachen waren. »Ferienhotels. Da wohnen die Urlauber, und zum Schwimmen geht’s hinunter an den Strand.«
»Machen da auch gewöhnliche Leute Urlaub?« fragte Jason.
»Und Lords. Wer immer dort zu wohnen wünscht. Die Lords müssen allerdings an ihre Sicherheit denken und halten sich deshalb vornehmlich an den Privatstränden weiter südlich auf, die gut zu bewachen, aber nicht so schön sind wie diese da.«
»Müssen sich die anderen keine Sorgen machen?«
»Nein, es sei denn, sie haben sich Feinde gemacht. Aber auf jeden Fall wissen sie, ob konkret Gefahr droht oder nicht.«
»Hat der jüngste Mordanschlag nicht allgemein Angst gemacht?«
»Ohne gültige Absichtserklärung tritt die Gilde nicht in Aktion, und selbst wenn eine solche Erklärung vorliegt, wird zunächst geprüft, ob sie hinlänglich begründet ist.« Mit Blick auf die kleinen Gestalten, die durch die Brandung wateten, fügte er hinzu: »Von denen da unten braucht sich keiner Sorgen zu machen.«
»Aber die Lords schon?«
»Die haben meist Gildenmitglieder in ihren Diensten«, antwortete Jago, die neben den beiden stand. »Wenn ein hoher Lord gegen einen niederen Lord vorzugehen
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