Atevi 3 - Erbe
glattstrich, weil der Versuch, es in der zittrigen Hand zu halten und davon abzulesen, offenbar nicht gelingen wollte.
»Nadiin des Aishi’ditat, hier ist Jason-Paidhi mit einer wichtigen Mitteilung zur gegenwärtigen Lage…« Er sprach schulmäßig artikuliert, und seine Nervosität war der Stimme kaum anzumerken. »Ich habe mit dem Schiff gesprochen und erfahren, daß Mercheson-Paidhi nicht länger auf Mospheira bleiben will, weil sie eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der dortigen Regierung für aussichtslos erachtet. Sie hat dem Schiff empfohlen, sich voll und ganz dem Festland zuzuwenden . Die mospheiranische Regierung hindert sie am Weggehen und versucht, unter den Atevi des Aishi’ditat politische Rivalitäten zu schüren, um vom eigenen Versagen abzulenken. Das Schiff hat nun auf unseren Rat hin folgendes beschlossen: Es zieht Mercheson-Paidhi von der Insel zurück und verlangt von der Regierung Mospheiras, daß sie ungehindert aufs Festland ausreisen kann. Das Schiff hält an seinem Bündnis mit Tabini-Aiji fest und wird in Zukunft nur noch mit Shejidan zusammenarbeiten. Es entbietet seine besten Wünsche dem Aishi’ditat, dem Aiji und der Aiji-Mutter, die sich bereit erklärt hat, Mercheson-Paidhi unter ihren persönlichen Schutz zu stellen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, Nadiin. Ich werde diese Erklärung nun auch auf mosphei’ abgeben, um Zuhörer auf Mospheira in Kenntnis zu setzen.«
Leise taten die Techniker ihre Arbeit. Regler wurden hin und her geschoben, und der auf Mospheira zielende Sender auf eine Leistung gefahren, die dem absoluten Ausnahmefall vorbehalten war.
Jason erhielt das Zeichen zum Sprechen.
»Bürger von Mospheira, hier ist Jason-Paidhi mit einer wichtigen Mitteilung zur gegenwärtigen Lage…«
Die Gruppe um Ilisidi gab keinen Laut von sich. Die Techniker waren mit äußerster Konzentration bei der Sache, um eine optimale Übertragung zu gewährleisten. Jason trug seinen Text flüssig und schnell vor, daß den Technikern auf der anderen Seite des Kanals kaum Zeit blieb, um auf die elektronische Provokation rechtzeitig zu reagieren.
Diese wiederholte Ansprache wurde jedoch auch in Richtung Schiff ausgestrahlt. Und wenn es die Worte billigte und auf den Planeten zurückschickte, würden Empfänger zugeschaltet sein, und selbst wenn alle Radioanstalten auf der Insel ihren Dienst einstellten, wären da oder dort Menschen zur Stelle, die die Nachricht aufzeichnen und über Fax- und Kopiermaschinen verbreiten würden.
Was sich hier als Konsequenz gescheiterter Politik ergab, würde George Barrulin diesmal nicht von der Tür des Präsidenten fernhalten können.
Wahrscheinlich würde der Präsident morgen seine alltägliche Golfrunde ausfallen lassen müssen.
Jason hatte zu Ende gesprochen. Ein Techniker schaltete das Mikrophon aus, und es schien, als holten alle Anwesenden gleichzeitig Luft. Man wagte es wieder, sich zu räuspern und zu sprechen.
»Er hat eine wortwörtliche Übersetzung vorgetragen«, versicherte Bren der Aiji-Mutter. »Und in der Universität wird man wissen, daß er mit seinen Worten Hanks’ Zahlen durchkreuzt hat.«
»Die Zahlen von Hanks und Direiso.« Ilisidi war sichtlich zufrieden.
Jason hatte die Konsole geräumt und kam auf sie zu. Er war bleich im Gesicht, blickte verloren drein.
Atevi hätten es befremdlich befunden, wenn sich zwei Menschen vor aller Augen in die Arme gefallen wären. Für einen Handschlag aber hatten sie durchaus Verständnis.
Jason langte wie ein Ertrinkender nach Brens ausgestreckter Hand. »War’s recht so?« fragte er.
»Du warst sehr gut.«
Es war kaum zu hören, was ihm Jason nun zuflüsterte: »Das Codewort fürs Schiff: Bitten Sie darum, mit Constanze sprechen zu dürfen.« Und lauter fragte er: »Gibt es Neues von Yolanda?«
Bedauernd schüttelte Bren den Kopf: »Leider nein.«
»Womöglich schaffen wir’s nicht, sie zu uns zu holen«, stellte Jason scheinbar nüchtern fest.
»Wenn sie irgendwo südlich von Dur an Land geht, wird sie ganz bestimmt von Getreuen des Aiji in Empfang genommen. Davon bin ich überzeugt.«
Als andere, unausgesprochene Möglichkeit kam in Betracht, daß sie von Direisos Leuten aufgegriffen werden könnte, wenn ihnen zu Ohren käme, daß sie die Seiten zu wechseln versuchte. Falls Hanks’ Leute sie zurückhielten, war damit zu rechnen, daß diese von sich hören ließen und kundtun würden, Mercheson in ihrer Gewalt zu haben.
»Wie lange mag die Überquerung dauern?«
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