Atevi 3 - Erbe
fragte Jason.
»Das ist unterschiedlich und hängt vom Wetter ab. Frachter brauchen durchschnittlich zwei Tage.«
»Und falls es stürmen sollte…«
»Dann gilt es, den Motor am Laufen zu halten und die Wellen richtig anzusteuern. Wir können nur hoffen, daß sie mittlerweile gelernt hat, mit einem Boot umzugehen. Wer eine solche Passage wagt, wartet für gewöhnlich auf günstigen Rückenwind. Das spart Treibstoff. In den letzten Tagen kam der Wind von Westen, und das könnte ihr geholfen haben.«
»Der Kapitän hat mit keinem Hinweis durchblicken lassen, was er von Yolanda über die Situation auf der Insel erfahren hat oder ob er weiß, wo sie sich zur Zeit befindet. Das macht mich stutzig. Was geht da vor? Was ist passiert?«
Plötzlich kam Bewegung auf: Sicherheitskräfte eilten zur Treppe, die zum Flachdach hinaufführte.
Einen alarmierten Eindruck machte Cenedi allerdings nicht.
Jago und Banichi kamen auf die beiden Paidhiin zu. »Nadiin«, sagte Jago, »Lord Tatiseigi hat Truppen auf die Landzunge von Saduri entsandt. Das war, wovon Tano und Algini berichtet haben. Die beiden sind übereingekommen, die Soldaten passieren zu lassen. Die Aiji-Mutter will trotzdem auf Nummer Sicher gehen und rät, daß wir geschlossen nach Saduri-Stadt ziehen.«
Banichi meinte: »Er hat wohl entweder seinen Segen zur Vermählung gegeben oder den Fernsehapparat entdeckt.«
Die Ebene von Saduri war eine Halbinsel, dem Umriß nach fast ein Dreieck, in dessen Grundlinie das Meer eine tiefe Bucht ausgeschnitten hatte. Auf der einen Seite dieser Bucht befanden sich das alte Kanonenfort und Mogari-nai; auf der anderen erstreckte sich flaches hügeliges Land, über das ein Schienenstrang der Eisenbahn führte. Im Süden der Halbinsel lag die Onondisi-Bai mit ihren beliebten Urlaubsorten, im Norden die sehr viel größere Nain-Bai, deren Öffnung zum Meer die Insel Dur versperrte.
Die gewundene einspurige Straße führte hinunter nach Saduri-Stadt. Davon war in der Dunkelheit und von der Stelle aus, an der sie sich befanden, nichts zu sehen, doch Bren konnte sich nach den Beschreibungen, die ihm gegeben worden waren, ein Bild von ihr machen. Er stand vor dem Eingang zur Station, wo die Mecheiti, zusammengetrieben, stampfend und schnaubend auf ihre Reiter warteten.
»Ich bin froh, daß es Nacht ist«, sagte Jason. Er hatte, ehe er vor die Tür getreten war, zwei Tabletten gegen Kinetose eingenommen.
»Vielleicht wird man dir Zuschlag für unzumutbare Härten geben«, sagte Bren; und Jason, der ebensoviel verdiente wie Bren, rang sich ein Lächeln ab.
Jason aber war geradezu gelassen im Vergleich zu den Bediensteten von Mogari-nai, die aus Sicherheitsgründen die Station räumen und mit in die Stadt ausrücken sollten, was zur Folge hatte, daß der regionale Fernsprechverkehr zum Erliegen kam und nur noch Notrufe an Feuerwehr oder Ambulanz durchgestellt werden konnten, was eine Restmannschaft um Brosimi, den stellvertretenden Leiter, zu garantieren hatte.
Nach einer der letzten Meldungen, die über den Nachrichtendienst eingetroffen waren, blockierte ein liegengebliebener Zug die Eisenbahnstrecke bei Aisinandi. Und in Aidin war – wundersamer Zufall – ein anderer Zug aufgrund eines Stellwerkfehlers entgleist. Da passierte einiges, was sich weder auf Cenedis noch Banichis Einsatzplan wiederfand.
Den ganzen Nordrand der Halbinsel säumte ein breiter, ebener Sandstrand, der selbst mit schweren Transportern befahrbar war. Doch der von Rejiri bezeichnete Küstenabschnitt ließ sich so nicht erreichen, weil dazwischen – an der Spitze der Landzunge bei Saduri – eine schroffe Felsformation den Weg versperrte und ins Wasser ragte. Eine Bedrohung für jedes Schiff.
Aber günstig für sie, denn falls es den Männern, die jetzt auf Dur waren, gelang, den Fährbetrieb zu unterbinden und zu verhindern, daß Boote am Strand im Norden der Insel anlandeten, würde Deana nach Süden ausweichen müssen und dem Aiji unweigerlich in die Hände fallen.
Motorisierte Transportmittel waren schon vor einiger Zeit in Saduri eingetroffen, was Ilisidi nicht zu unterbinden versucht hatte, wohl aus Sorge, wie Bren vermutete, daß es zu Kampfhandlungen kommen könnte, wodurch unschuldige Anwohner in Gefahr gebracht würden.
Das ergab für Bren noch Sinn. Doch sonst verstand er kaum etwas von dem, was vor sich ging. In dem großen Krieg von einst war der technische Vorteil der Menschen neutralisiert worden durch ihr Unvermögen, das taktische
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