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Atevi 3 - Erbe

Atevi 3 - Erbe

Titel: Atevi 3 - Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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wiederholten Mal einen Vortrag über die Verläßlichkeit der Muttersprache zu halten. Ob es leicht fiel oder nicht, man mußte zumindest für eine Weile auf die eigene Sprache verzichten, wenn einem der mentale Sprung in die Geläufigkeit gelingen sollte. Aber Jason war dazu nicht in der Lage. Er blieb seiner Sprache verhaftet, weil es sein Job war, ihm die relevanten technischen Termini und den an Bord gebräuchlichen und vom Mosphei’schen durchaus verschiedenen Jargon soweit beizubringen, daß er, der Paidhi, den atevischen Ingenieuren akkurate Übersetzungen abliefern konnte. Auch Bren würde demnächst sehr viel häufiger zweisprachig denken müssen als im bisherigen Verlauf seines Aufenthaltes diesseits der Meerenge.
    Was er aber am heutigen Abend den Worten Jasons entnahm, wies auf eine beträchtliche Schieflage hin. Nach seiner trübsinnigen Äußerung zum Alleinsein hatte Jason nichts mehr gesagt. Er nahm einen Schluck vom garantiert bekömmlichen Tee und aß mit einstudierter Manierlichkeit Bissen um Bissen des saisongemäßen Fleisches, das er vorher in Soße tunkte. Ansonsten schien er das angeschnittene Thema nicht weiter verfolgen zu wollen.
    Sei’s drum, dachte Bren. Er war müde, und das nicht erst zum Abend hin. Er fühlte sich ausgelaugt. Die vergangenen Wochen und Tage hatten ihm zugesetzt. So auch die Sache mit Saigimi. Und dann war da morgen das Treffen mit Tabini. Er wußte, Jason litt Qualen in seiner Isolation, was ihm aufrichtig leid tat, doch er hatte nach der anstrengenden Reise keine Kraft mehr übrig, um sich mit dem Kummer des anderen eingehend zu befassen. Er wollte aber auch nicht abweisend oder gefühllos erscheinen und hoffte, daß sich das Gespräch auf morgen verschieben ließe, ohne Jason dadurch zu kränken.
    Der nächste Gang war der letzte. Jason bat eine Dienerin um zwei Schalen, was die junge Frau merklich verdutzte.
    »Asso shi madihiin-sa«, stellte Bren ruhig klar. »Mai, Nadi.«
    »Mai, Nadi, saijuri«, bedankte sich auch Jason, indem er eine noch etwas höflichere Form wählte. Offenbar versuchte er, seine Emotionen zu sortieren und in den Griff zu bekommen, worin ihn Bren ermutigen wollte.
    »Schwierige Formen«, sagte er auf ragi. Eine im Konditional gestellte Bitte und die im unregelmäßigen Plural formulierten Höflichkeitsadressen (wovon es insgesamt sechs gab) summierten sich im Satz zu Glück- oder Unglückszahlen. »Sie haben sich nicht verzählt.«
    »Was einen zu hören freut.« Die gehörige und grammatikalisch korrekte Antwort.
    Die Höflichkeitsplurale zählten gewiß nicht zu den einfacheren Aspekten dieser Sprache. Jason hatte sich bisher immer beholfen mit den athmai’in, den kindlichen Formen, die allen verständigen Hörern signalisierte, daß hier jemand sprach, dem Regelverstöße nachzusehen waren. Auf mosphei’ mochte man wen auch immer, selbst hochgestellte Persönlichkeiten, verbal ›zum Teufel‹ jagen, was in manchen Gesprächssituationen sogar humorig aufgefaßt wurde. Doch einen Ateva vorsätzlich auf eine unglücksbeschwörende Weise anzusprechen war unverzeihlich und Grund genug für einen bei der Gilde eingereichten Mordauftrag.
    »Ich schaff’s einfach nicht, richtig zu differenzieren«, klagte Jason, »und muß darum letztlich raten. Verstehen Sie?«
    »Ihren Kapitän würden Sie doch auch nicht mit ›Mister‹ anreden, oder?« versuchte Bren zu erklären. »Und je höher eine Person gestellt ist, desto größer muß die Höflichkeitsmehrzahl sein. Wer unsicher ist, sollte sich lieber zugunsten des Gegenüber verschätzen.«
    Wortwörtlich übertragen lautete Jasons Antwort: »Ich weiß, das ist eine Melone!«
    Eine Dienerin schlug die Hand vor den Mund, um nicht loszuprusten vor Lachen.
    »Sie meinen wichtig«, stellte Bren richtig, obwohl ihm klar war, daß Jason für Korrekturen im Augenblick nicht gerade empfänglich war.
    »Verdammt«, platzte es aus Jason heraus. Brüsk schob er seinen Teller in Richtung Tischmitte, und es sah so aus, als würde er in die Luft gehen. Bren, der sich im Laufe der vergangenen Monate an Jasons Wutausbrüche gewöhnt hatte und Ruhe zu bewahren wußte, dachte: Nur gut, daß wir schon fast bis zum Nachtisch gekommen sind.
    »Jason.« Er versuchte es auf diplomatischem Wege. »Das ist jetzt die allerschwierigste Phase. Glaub mir. Wenn du da durch bist, hast du’s geschafft. Du bist enorm schnell vorangekommen und hast in sechs Monaten geschafft, wofür andere sehr viel länger gebraucht hätten.

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