Atevi 3 - Erbe
der Mutter oder dem Kapitän des Schiffes, wie es sich gehört hätte.«
»Meine Geheimdienstler haben mir von dem Telefonat zwischen Merchseon und Jason berichtet.« Atevi fanden die Konsonantenverteilung im Namen Yolanda ungünstig und zogen es deshalb vor, von ihr als Mercheson zu reden; die menschlichen Regeln der Adressierung machten für sie keinen Sinn. »Vor und nach dem Gespräch der beiden hat es zwischen dem Schiff und der Bodenstation auf Mospheira einige Male Kontakt gegeben.«
»Das mag sein.« Bren ahnte, daß Tabini diese ungute Nachricht bewußt von ihm ferngehalten hatte, um ihm Gelegenheit zu geben, sich unbefangen mit Jason zu befassen. Vielleicht hatte der Aiji befürchtet, sein Paidhi werde sich spontan und allen Vorsichtsgeboten zum Trotz mit dem Schiff in Verbindung setzen. »Vielleicht hat sich Mercheson aus Sorge, etwas falsch gemacht zu haben, bei ihren Vorgesetzten rückversichern wollen. Ich vermute, sie wußte nicht, daß sie die Überbringerin der traurigen Nachricht war, daß Jason erstmals durch sie vom Tod des Vaters erfahren sollte. Klar, daß es vor dem Telefonat mit Jason zum Kontakt mit dem Schiff gekommen ist, aber warum gleich mehrere Male, kann ich mir auch nicht erklären.«
»In den vergangenen vier Tagen ist während solcher Besprechungen auch immer wieder der Name Deana Hanks gefallen. Meist in Formulierungen wie: ›Deana Hanks schlägt vor…‹ oder ›Deana Hanks hat gesagt…‹«
Verdammt, wäre es fast aus Bren herausgeplatzt, doch im Beisein eines Aiji fluchte man nicht.
»Das zu hören gefällt mir gar nicht, Aiji-ma, aber ich bin leider nicht in der Lage, dieser Frau Einhalt zu gebieten. Natürlich werde ich die Transkriptionen der Tonaufzeichnungen genau studieren.«
»Sie liegen zur Einsicht bereit. Meine Informanten melden mir, daß sich Jason Graham mit aufgewühlten Emotionen auf sein Zimmer zurückgezogen hat. Daß Sie darin aber keinen Anlaß zur Sorge sehen.«
Mit ›Informanten‹ meinte er das gesamte Personal und Lady Damiri, die aber keinen Ton von sich gab.
»Jason möchte aufs Schiff zurück«, sagte Bren. »Ihm ist jedoch sehr wohl bewußt, daß es nur dann einen Rückweg für ihn gibt, wenn er seinen Job gut versieht. Ich mache mir zwar Sorgen um ihn, glaube aber Anzeichen zu erkennen, die darauf schließen lassen, daß er sich von dem schweren Schock, den er erlitten hat, schon halbwegs wieder erholt hat.« Das war ein wenig übertrieben, aber er hatte es sich zum Grundsatz gemacht, Atevi möglichst nicht nervös zu machen, denn sie reagierten sehr schnell und instinktiv. »Von Jason geht keine Gefahr aus, Aiji-ma. Jedenfalls nicht in dem Sinne, daß Personen oder Sachen Schaden an ihm nehmen könnten.«
»Ich vertraue Ihrem Urteil, Bren-Paidhi. Sorgen Sie nach eigenem Ermessen für Ihre Sicherheit wie für die des Personals und Ihrer Unterkunft. Sie haben vielleicht schon davon gehört…« Tabini warf Damiri einen flüchtigen Blick zu. »Es wird eine Inspektion geben.«
»Wegen der Lilien«, sagte Damiri-Daja leise.
Tabini erklärte: »Lord Tatiseigi kommt, um das restaurierte Frühstückszimmer in Augenschein zu nehmen. Und es werden Kameras aufgefahren, Fernsehkameras. Könnten Sie dafür sorgen, daß sich Nadi Jason in dieser Zeit anständig und kabiu verhält? Zu dumm, daß ausgerechnet jetzt dieser hohe Besuch ansteht. Vielleicht könnte sich der junge Mann wegen des Trauerfalls in der Familie entschuldigen und solange zurückziehen. Entspräche das den Gebräuchen der Menschen? Wäre es angebracht, daß er sich krank meldet?«
Bren hätte die Frage allzu gern bejaht. Ihm wurde flau bei dem Gedanken daran, daß das Oberhaupt der Atigeini, von Fernsehkameras begleitet, sein Appartement inspizierte. Es würde ihm ein formeller Empfang bereitet werden. Und dazu Jason, in seiner augenblicklichen Verfassung… Himmel hilf! dachte Bren.
Einen Beinbruch-Auftrag zu vergeben wäre jetzt vielleicht das richtige.
Vielleicht ließ sich Jason ein Schlafmittel heimlich verabreichen. Ein dosiertes Quantum leicht giftigen Tees.
Aber nein, nein; die Presse würde womöglich noch den Lord der Atigeini eines Mordversuchs bezichtigen.
Besser, er, Bren, nähme selbst eine doppelte Dosis, um bei der hochherrschaftlichen Hausbegehung nicht zugegen sein zu müssen.
Doch dann läge alles in Jasons Hand. Nicht auszudenken…
»Ich werde mich entscheiden aufgrund des Eindrucks den er auf mich macht, nachdem er mit seiner Mutter gesprochen hat«,
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