Atevi 3 - Erbe
numerologisch heikle Antwort zu entlocken, die sie dann in ihrer Selbstgerechtigkeit als besonders schwerwiegend annoncieren würden.
Als kleiner Hofbeamter war er immun gegen solche Rufmordanschläge. Als öffentliche Person mit großem Einfluß mußte er aber wie auch der Aiji solchen Wortverdrehern als Zielscheibe herhalten, und seine Gegenwehr war Sache eines Büroangestellten, der den lästigen Absender an der Handschrift, dem Poststempel oder sonstigen Hinweisen identifizierte und wie die anderen zur Karteileiche machte. Das Personal tauschte Informationen mit denen des Aiji und einiger Lords aus, die mehr oder weniger vernetzt waren, denn Zahlenzähler konnten eine richtige Plage sein, und die Bürokräfte verachteten und jagten sie so unnachgiebig wie die Gilde bewaffnete Verrückte jagte.
Daß ihm all die Arbeit, die er früher selbst erledigt hatte, abgenommen wurde, hatte die unschöne Kehrseite, daß er den Kontakt zu den einfachen Atevi in dem Maße verlor, wie er durch seine wachsende Berühmtheit und Bedeutung an Möglichkeiten hinzugewann, diese näher kennenzulernen. Er mochte die Atevi, denen er begegnet war, das ältliche Ehepaar bei Malguri, seine ehemaligen Diener im Bu-javid, die Astronomiestudenten von Saigiadi und vor allem die Mitglieder der verschiedenen Personalstäbe, mit denen er zu tun hatte.
Aber er konnte nicht den Kontakt zu ihnen pflegen, sich auch nicht jene menschliche Schwäche gestatten, einen Platz für sie zu reservieren in jenem inneren Limbus, wo aus den Augen verlorene Bekanntschaften wohnten. Es gab unter ihnen kein Man’chi. Sie gehörten ihm nicht. Er konnte nicht erwarten, daß sie ihm jemals gehören würden.
Und an diesem einen einfachen Beispiel war erkenntlich, warum sich die atevische Gesellschaft gegen die Integration von Menschen sperrte, weil diese nämlich auch Zuneigung zu Personen entwickelten, mit denen sie niemals im atevischen Sinne assoziiert sein konnten.
In seiner Weisheit hatte der Aiji ihn in eine sozusagen verdünnte Atmosphäre ausgesetzt, in der Man’chi problemlos zu ihm aufsteigen konnte, doch manchmal schaute Bren beklommen voraus auf den Tag, da Atevi und Menschen, wie geplant, Seite an Seite in der Raumstation zusammenarbeiten und volkswirtschaftlich an einem Strang ziehen würden.
In solchen Momenten fragte er sich, ob es denn richtig gewesen war, sein Leben einer potentiell so gefährlichen und verrückten Idee zu widmen.
Er verzichtete darauf, über die hingenommenen oder selbst in die Wege geleiteten Veränderungen seiner persönlichen Stellung eingehender nachzudenken. Nun, vielleicht war irgendein Winkel seines Gehirn mit diesem Gedanken beschäftigt, doch dieser Winkel stellte offenbar die Arbeit ein, sobald dort Licht eingeschaltet wurde.
Wie dumm von dir, sagte Bren sich manchmal, wenn ihm bewußt wurde, wie hoch er gestiegen und wie angreifbar er dadurch geworden war. Saudumm, Bren Cameron, tadelte er sich dann in kalten und einsamen Nächten – oder auch jetzt, da er sich inmitten seiner atevischen Büroangestellten befand, die ihn mit großem Einsatz und aus emotionalen Gründen, die er nicht nachvollziehen konnte, immer wieder davor bewahrten, daß er einen Narren aus sich machte.
Er mußte sich doch mindestens noch zu fragen erlauben, was er, zum Teufel, eigentlich tat, welchen Sinn das alles hatte und wohin er diese Leute führte, die ihm eine Verehrung entgegenbrachten, wie sie allenfalls für einen Aiji angemessen war.
Was ihn nur geritten hatte, daß er dieses Wagnis eingegangen war, fragte er sich, und aus dem verhexten Keller seiner Skepsis tönte die Antwort: der Zufall und George Barrulin; der Zufall war der Dämon in der Konstruktion des atevischen Universums, und der andere, der Chefberater des Präsidenten, war der Teufel in der mospheiranischen Politik.
Beide übten große Macht aus, ohne eigentlich dafür qualifiziert zu sein.
Tabini, davon war Bren überzeugt, hatte das Zeug dazu, war fit sowohl im biologischen als auch politischen Sinne.
Bren hörte nicht auf sich zu wundern darüber, daß Tabini den Paidhi in vielen Dingen um Rat ersuchte, diesen sogar häufig befolgte und daß er mit all seiner Autorität auf das Recht der Atevi an der Raumfahrt pochte, während es von mospheiranischer Seite hieß, daß die atevische Kultur an der Mikrochipelektronik und Kernenergie zugrunde gehen würde.
Was die Atevi mit ihren Möglichkeiten im Weltraum schließlich anstellen mochten, stand auf einem anderen
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