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Athyra

Athyra

Titel: Athyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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ihn.
    Der Tag war frisch und kühl, und die Luft trocken und klar. Ein guter Tag zum Arbeiten; die frühe Erntezeit haßte er am meisten, weil alles doppelt so anstrengend war, wenn es heiß war. Regen war fast genausoschlimm, aber danach sah es heute nicht aus, und der orangerote Himmel zeigte kaum ein graues Wölkchen, also hatten sie vielleicht weiterhin Glück mit dem Wetter.
    Er nahm ein paar lange Stoffsäcke unter der Veranda hervor, schüttelte sie aus und drehte sie auf links, dann nickte er seiner Schwester zu.
    »Wir sind bald fertig«, sagte sie.
    »Ich weiß. Heute oder morgen.«
    Polyi, die Hände in die Hüften gestemmt und die Sense gegen sich gelehnt, schüttelte sich ein paarmal, wie um die Muskeln zu lockern, die schon ermüdet waren. Savn rollte die Schultern vor und zurück und zog die Handschuhe aus Lyornfell an. In einer halben Stunde hätte er heiße und schwitzige Hände, aber Blasen, das wußte er sehr wohl, wären schlimmer.
    Er sagte: »Legen wir los.« Sie machten sich auf zum letzten Feld.
    Savn sammelte die Pflanzen in die Säcke, während seine Schwester mit der Sichel vorweglief. Sie kamen leicht in den richtigen Rhythmus, und das war wichtig. Wäre es nicht so, würde Savn die Pflanzen von der Erde aufsammeln müssen, was in den Rücken geht und wesentlich länger dauert. Aber sie kannten sich inzwischen, so daß die Pflanze, während Polyi das Werkzeug für jeden Schnitt schwang, sauber in Savns behandschuhte Hände fiel, und dann trat er immer einen halben Schritt zurück, damit er der ausschwingenden Sense entging. Auf seine Hände und die Pflanzen brauchte er nicht zu achten – nur auf seine Schwester, damit er merkte, wenn der Rhythmus sich aus irgendeinem Grund änderte, und er der scharfen Klinge ausweichen konnte. Er wußte genau, was geschehen konnte, wenn er im falschen Augenblick woandershin schaute – er hatte Meister Wack beim Verarzten von drei Menschen bei dieser Ernte assistiert.
    Langweilige Schufterei war das, aber auch einfach und zufriedenstellend, jetzt, da sie ein System ausgearbeitet hatten, und er konnte das beständige Sirren der Sense hören, während Mä und Pä von der anderen Seite her kamen. Bald – wahrscheinlich schon morgen, glaubte er – würden sie aufeinandertreffen, und das wäre dann das Ende der diesjährigen Ernte. Dann würden Mä und Pä den Boden für den Winter vorbereiten, und im nächsten Jahr ginge alles wieder von vorne los, und im Jahr darauf, bis Savn eines Tages sein eigenes Geld als Medikus verdiente, entweder in Kleineklippe oder anderswo. Dann gäbe es ein paar magere Jahre, bis er es sich leisten könnte, Geld für die Arbeit heimzuschicken, die er nicht mehr verrichten konnte, aber dann könnten Mä und Pä jemanden anstellen, und danach würde er zu sparen anfangen können, bis er genug Geld beisammen hätte, um reisen zu können, und –
    Wann habe ich denn beschlossen, daß ich reisen will? fragte er sich.
    Nun, wo er darauf kam, war er sich nicht mehr sicher, daß er es wollte, aber er wußte wieder, wann er das erstemal darüber nachgedacht hatte – nämlich als er vor seinem Elternhaus stand und die Nacht ihm scheinbar von fernen Orten erzählt hatte. Er erinnerte sich an seine Frage, die er Vlad gestellt hatte und die den Ostländer wohl beeindruckt hatte: läufst du irgendwohin oder vor etwas davon? Wenn er, Savn, fortgehen müßte, würde er seine Familie verlassen oder nach mehr suchen? Würde er seine Heimat verlassen oder ausziehen, um Abenteuer und Glück zu finden? Hatte der Ostländer diese ganzen Gedanken angestoßen? War der Ostländer irgendwie verantwortlich für die Erfahrung, die er an jenem seltsamen, wunderbaren Abend gemacht hatte? Ist mir egal, was sie sagen, ich wette, er hat Zaum nicht getötet.
    Sie waren mit der Reihe fertig und fingen die nächste an, und so verging der Morgen. Als es fast Mittag war, unterbrach Pä ihren Rhythmus, als er auf den Fingern pfiff, um Savn und Polyi mitzuteilen, daß sie für den Tag genug getan hatten.
    Auf dem Heimweg fragte Polyi: »Glaubst du, sie werden ohne uns fertig?«
    Savn schaute auf die verbliebene Arbeit zurück und antwortete: »Hoffentlich regnet es morgen nicht.«
    Polyi nickte. »Ja. Sollen wir heute zu Tem gehen?«
    »Klar.«
    »Du hast gestern nämlich nicht auf mich gewartet, weißt du?«
    »Nicht? Ach, richtig, habe ich nicht. Ich habe wohl an etwas anderes gedacht.«
    »Zum Beispiel?«
    »Weiß nicht. Andere Sachen. Jedenfalls gehen wir heute

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