Athyra
geschah.
Welcher Zauber es auch ist, der Neuigkeiten verbreitet, die Leute wurden schon davon in Tems Haus gezogen, bevor die Sängerin ihre Unterhaltung mit Tem beendet hatte, in der es vermutlich um Unterkunft und Mahlzeiten als Gegenleistung für Lieder und Geschichten, Neuigkeiten und Klatsch ging.
Vlad sagte: »Ich werde mit ihr reden müssen, doch das kann warten.«
»Ach? Warum?«
»Spielleute wissen Bescheid.«
»Aber wird sie mit dir reden?«
»Warum nicht? Ach so. Weil ich ein Ostländer bin? Ich denke, das dürfte kein Problem sein.«
Savn wollte nach dem Grund fragen, überlegte es sich aber anders. Allmählich, fand er, war er in der Lage zu erkennen, wenn er auf ein Thema kam, das der Ostländer nicht weiter besprechen wollte. Die Sängerin beendete ihre Verhandlungen mit Tem und ging mit einem überraschend schüchtern wirkenden Lächeln für alle Gäste nach hinten zu den Zimmern, die Tem an Reisende vermietete.
Der Hausherr räusperte sich und verkündete: »Sie wird in ein paar Minuten wiederkommen und für uns spielen, nachdem sie sich frisch gemacht hat.« Das waren gute Aussichten für alle. Mehr und mehr Leute kamen herbeigeströmt.
Dabei entging es Savn nicht, daß viele, vielleicht auch die meisten, ihn anschauten, wie er beim Ostländer saß, und dann rasch woanders hinsahen. In Firis Augen glaubte er so etwas wie Abscheu zu sehen, und die dunkelhaarige Lova, die neben Firi saß, wirkte leicht erstaunt. Lan und Tuk saßen bei einigen ihrer Freunde, und während Tuk nur vor sich auf den Tisch starrte, schien Lan ihm kurz einen unfreundlichen Blick zuzuwerfen.
Zum erstenmal fragte er sich ernsthaft, ob er sich so viel bei Vlad sehen lassen sollte. Der schaute ihn mit leichter Belustigung an, und Savn überlegte, ob seine Gedanken gelesen wurden. Aber Vlad sagte nichts, und da kehrte die Sängerin auch schon zurück.
Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt eine weite, saubere weiße Bluse mit grünen Stickereien, und ihr Beinkleid war aus hellem, frischem Grün. Ihre braunen Haare waren unauffällig, aber erkennbar edel frisiert, und die Augen standen, sehr dunkel, in scharfem Kontrast zu ihrem Teint und der Kleidung. Sie hatte beide Instrumente bei sich und stellte sie auf einem Tisch in der Ecke auf, den man ihr hastig freiräumte. Mit weißen Zähnen lächelte sie.
»Seid gegrüßt, meine Freunde«, sagte sie mit melodischer, tragender Stimme. »Ich heiße Sara. Ich spiele die Rotflöte und die Kordu, ich singe, und ich kenne außerdem ein paar Geschichten. Wenn ich ein Getränk bekommen würde, könnte ich vielleicht sogar etwas spielen.«
Schnell wurde eines gebracht. Sie lächelte zum Dank und nahm einen Schluck von dem, was im Glas war, nickte anerkennend und goß etwas davon über das Mundstück der langen braunen Flöte.
»Was macht sie da?« flüsterte Savn.
Vlad wußte es nicht. »Ist wohl gut dafür. Sie würde ja nicht ihr eigenes Blatt kaputtmachen.«
»So ein Ding habe ich noch nie gesehen.«
»Ich auch nicht.«
»Bin gespannt, wie es sich anhört.«
Diese Frage wurde fast augenblicklich beantwortet, als ein tiefer, reicher, dunkler Ton erklang und sich sofort bis in jeden Winkel des Raumes ausbreitete. Sie spielte einmal und noch mal die Tonleiter rauf und runter, und das Instrument reichte sowohl höher als auch tiefer, als Savn vermutet hätte. Dann fing sie mit einem eigentümlichen arhythmischen Stück an, das Savn nicht kannte; er lehnte sich zurück, um die Musik zu genießen. Vlad betrachtete die Sängerin mit ausdruckslosem Gesicht.
Sie saß auf dem Tisch, einen Fuß auf einen Stuhl gestützt und langsam und gleichmäßig den Rhythmus tappend, obwohl Savn keinen Rhythmus ausmachen konnte, zu dem man klatschen könnte. Als das Lied zu Ende war, spielte sie ein anderes, eins, das normaler und, obwohl Savn nicht auf den Titel kam, sehr bekannt war und Tems Gästen gut gefiel.
Nachdem sie eine Zeitlang auf der Flöte gespielt hatte, griff sie nach dem anderen Instrument, stimmte es flink und fing mit süßem, unschuldigem Blick einen skandalös schlüpfrigen Titel zu singen an, »Ich traue keinem Schäfer, ich traue keinem Dieb«, der, ohne je etwas direkt anzusprechen, Dinge über ihr Wesen und ihre Vorlieben andeutete, die Savn unvorstellbar waren. Alle schlugen auf die Tische, lachten und spendierten Sara weitere Getränke.
Danach konnte sie nichts mehr falsch machen, und als sie mit einer alten, schmalzigen Ballade über Chalara und Auiri anfing,
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