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Athyra

Athyra

Titel: Athyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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auch sicher waren, daß das Herrschaftshaus leer war.
    Jetzt hauste Seine Lordschaft dort, und jetzt spielte Savn nicht, auch wenn er nicht genau sagen konnte, was er eigentlich tat. Er schritt die Straße entlang, als gehöre er dorthin, Schritt um Schritt, wie ein Edelmann, der zu Besuch kam, obwohl er gehört hatte, diese Leute teleportierten sich anstatt zu laufen, selbst wenn die Entfernung bloß zehn oder zwanzig Meilen betrug.
    Das Herrschaftshaus war zu sehen – ein breites, großes Gebäude voller spitzer Kanten. In all den Jahren seit damals hatte er vergessen, wie groß es war, oder sich eingeredet, es sei nur der übertriebene Eindruck eines Kindes gewesen. Jetzt starrte er hin, erinnerte sich, einmal mehr ergriffen von dem Gefühl, daß die Pracht des Hauses die Macht seines Bewohners widerspiegeln mußte.
    Das Dach sah wie die Schneide einer Sense aus, mit Giebeln an jeder Seite wie Strohbüschel. Die Mauersteine selbst waren hellgrün, und vorne in der Wand, ganz oben, waren Glasfenster – Savn konnte sogar Licht um die Ränder der Vorhänge dahinter scheinen sehen. Angestrengt suchte er nach Bewegungen. Er suchte und fand schließlich auch den Graben, in dem er vor vielen Jahren so wagemutig gespielt hatte. Auch auf dieser Seite waren Glasfenster, doch er erinnerte sich noch gut, daß man, wenn man den Kopf untenhielt, nur aus dem einen Fenster oben in der Seite gesehen werden konnte.
    Merkwürdigerweise erkannte er erst da, als er sich die Fenster ansah, daß es dunkelte, und war wieder überrascht, wie schnell die Zeit in der Höhle verstrich. Da schien auf einmal das Licht am anderen Ende des Hauses heller. Er blieb auf der Stelle stehen, und bald kam ein Diener von dort. Savn sah zu, wie er mit einem langen Holzstab ums Haus lief und Lampen entzündete, die überall an den Wänden angebracht waren. Als er fertig war, leuchtete das Haus, als würde es brennen.
    Der Diener war wieder gegangen, und Savn beobachtete das Haus noch etwas, dann ging er auf der Straße weiter, direkt darauf zu an die große Vordertür. Er fühlte sich genau so, wie er sich einen Soldaten vorstellte, der in die Schlacht zog, aber auch diesen Gedanken wollte er nicht weiter verfolgen.
    Er stand vor der Tür und starrte sie an. Für eine Tür zum Herrschaftshaus Seiner Lordschaft wirkte sie so unscheinbar – bloß Holz, und sie öffnete und schloß sich wie jede andere auch, allerdings hatte sie einen messingnen Griff, der Savn sehr kompliziert vorkam. Er atmete tief durch, schloß die Augen, öffnete sie wieder, und klopfte an.
    Nichts passierte.
    Er wartete, und es kam ihm wie Stunden vor, dabei dauerte es kaum länger als ein paar Atemzüge. Doch auch so spürte er, wie ihn der Mut verließ. Er wippte mit dem Fuß, hörte dann aber auf, weil er Angst hatte, jemand könnte es sehen.
    Wieso kam hier niemand an die Tür?
    Weil man ihn nicht hören konnte, ganz klar; die Tür war zu dick.
    Aber wie sollte man dann die Aufmerksamkeit der Diener Seiner Lordschaft erlangen?
    Er schaute sich um und bemerkte schließlich ein langes Seil, das neben der Tür baumelte. Ohne groß nachzudenken, zog er einmal lang und kräftig daran und kreischte fast, als er von drinnen ein Klappern vernahm, das sich wie ein Haufen Stöcke oder Stämme anhörte, die übereinanderrollten.
    Sein Herz, das seit einiger Zeit sehr schnell schlug, fing jetzt ernsthaft zu rasen an. Er stand tatsächlich kurz davor, sich umzudrehen und abzuhauen, als die Tür sich öffnete und er sich im Angesicht eines schmalen Mannes mit scharfkantigem Antlitz und der Uniform der Untertanen von Baron Kleineklippe wiederfand. Nach einer Weile erkannte Savn ihn als Turi, einen der Diener Seiner Lordschaft, der gelegentlich zum Einkaufen ins Dorf kam. Genauer gesagt, Turi kam, seit Zaum es nicht mehr tat –
    Er unterbrach seinen Gedanken und ertappte sich gleichzeitig beim Gaffen. Er wollte etwas sagen, mußte sich jedoch erst räuspern.
    »Nun?« fragte der Diener mit starrem Gesicht.
    Savn brachte einen Ton heraus: »Entschuldigt, Herr.«
    »Hmmmff.«
    Savn holte Luft. »Dürfte ich um eine Audienz bei Seiner Lordschaft bitten? Ich heiße Savn, und ich bin der Sohn von Cwelli und Olani, und ich –«
    »Warum willst du zu Seiner Lordschaft, Junge?« unterbrach Turi leidenschaftslos und undurchdringlich.
    »Wenn es Seiner Lordschaft gefällt, wegen dem Ostländer.«
    Langsam neigte Turi den Kopf, wie ein verwirrter Hund, und er zog die Brauen hoch.

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