Atlan 01 - Lepso 01 - Totentaucher
erzähle diese Geschichte auch nicht, weil mir diese Modul wichtig erscheint, sondern das, wofür er es eintauschen wollte.«
»Nämlich?«
»Er brauchte ein Gehirn. Zur Not, sagte er damals, täte es auch ein Kleinhirn, ein lebendes, funktionstüchtiges Gehirn, das Bewegungen koordinieren konnte. Und wenn noch ein Körper daran hinge, sei das auch kein Makel.«
Er schwieg. »Das kam mir in den Sinn, als Sie davon sprachen, es sei das Leben eines Raumschiffes gerettet worden.«
»Kam der Tausch zu Stande?«
Der Hökerer lachte. »Nein. Der Markt war damals leer gefegt von Gehirnen. Ich habe auch nicht gesehen, für welches Objekt er dieses Gehirn brauchte. Aber wir haben uns in der Nähe des Raumhafens Inzäm getroffen. Und der Name Dr. Frehma ist auf Lepso nicht allzu häufig.«
Kurze Zeit, nachdem sich der Hökerer verabschiedet hatte, war ich auch gegangen. Ich hatte bereits etliche Kilometer im Gleiter zurückgelegt, als sich mein Extrasinn meldete: Wir haben uns im Lokal sehr auf die Themen da Onur und Tyarez konzentriert, nicht wahr?
Das war Sinn der Sache , gab ich zurück.
Ich sichte gerade noch einmal die Tänzer. Ist Dir das Pärchen aufgefallen, der dicke Mann und die junge Frau?
Ja. Sehr bizarr.
Sie ähnelten der Beschreibung, die uns Chrekt-Chrym nach seinem thanatopathischen Kontakt mit a Schnittke gegeben hat.
Es ist nicht eben selten, dass umfangreiche Männer, gerne vermögend, mit jungen Frauen tanzen , versuchte ich die Beobachtung zu relativieren. Und in einer Stadt wie Orbana muss es Millionen solcher Paare geben.
Die Tanzfläche war nicht eben klein. Das Paar tanzte recht oft über unserem Kopf, findest du nicht? , fragte mein Logiksektor. Etwas häufiger jedenfalls, als es wahrscheinlich war .
Zufall , dachte ich.
Möglich. Aber was, wenn nicht?
Ich senkte den Gleiter aus der hohen Flugebene, wendete ihn und fädelte mich in die Trasse der Gegenrichtung ein. Dann beschleunigte ich mit Maximalwerten.
Umständlich versuchte Tipa Riordan in ihre Sänfte zu steigen. Nach etlichem Ächzen hatte ihr Erster Wesir ein Einsehen und half ein wenig nach, indem er hier hob und dort schob.
Die vier Epsaler luden sich die Trageholme auf die wuchtigen Schultern. Unter der Führung des Ersten Wesirs verließ die Gruppe das Tanzlokal.
Der Winterregen trübte die Sicht. In der Gasse vor dem Lokal drängten sich die Leute. Manche trugen Ganzkörperfolien gegen den Regen, andere liefen nackt unter Prallfeldglocken. Und zwar nicht nur Spezies, denen die trockene Hitze der Vormonate zugesetzt hatte, sondern auch Humanoide, die den Reiz der Stunde ausnutzten, etwa um im Deckmantel des Winterregens ihre exhibitionistischen Neigungen auszuleben.
Die wenigen Kameradrohnen, die sich in diese Gasse verirrt hatten, waren in Hauseingängen in Deckung gegangen und zeigten einander ihre Bilder des Tages.
Riordan bestand darauf, dass der Prallfeldschirm der Sänfte ausgeschaltet blieb und Kampt Ruyten einen antiken Stockschirm über ihr aufspannte.
Dabei hätte es wahrscheinlich genügt, wenn ihr Erster Wesir seine beiden bloßen Hände über sie ausgebreitet hätte.
Riordans Gruppe zögerte unter dem Vordach des Lokals, wie wohl schon die Menschen der Steinzeit inne gehalten hatten, bevor sie aus ihrer Höhle in einen heftigen Regen getreten waren.
»Auf geht’s Männer!«, kommandierte Riordan mit kreischender Stimme, »wir sind doch nicht aus Zucker.« Sie zwinkerte Ruyten verschwörerisch zu: »Auch, wenn ihr noch so süß seid!«
Die vorderen zwei Epsaler schoben ihre quadratischen Leiber in die Menge, die sich am Lokal vorüber wälzte.
Da stand ein dicker Mann direkt vor dem Tross der Piratin. Die Fettpolster an den Seiten der Brust stellten ihm die Arme vom Oberkörper ab wie Stummelflügel; die Beine waren unterhalb der Knie nach außen gedrückt. Die anderen Passanten wurden förmlich an ihm vorbeigespült wie an einem Felsen.
Ruyten machte seinen langen Hals noch länger und blinzelte durch den Regen. »Platz für meine Herrin!«, rief er dem Mann zu, der sich ächzend mitten in ihrem Weg auf seinen Säulenbeinen aufgebaut hatte. Der dicke Mann trug keinen Schirm, keine Folie, nicht einmal eine Kapuze. Stattdessen tupfte er sich mit einem großen, schmutzigen Tuch die Stirn.
Obwohl das Tuch vom Regen triefte, konnte sich Ruyten nicht gegen den Eindruck erwehren, dass der Mann sich Schweiß von der Stirn wischte.
»Bitte machen Sie den Weg frei!«, rief der Erste Wesir
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