Atlan 02 - Lepso 02 - Die acht Namenlosen
immer. Nicht einmal ihre Leichen tauchen wieder auf.«
»Ein interessanter Aspekt«, stellte ich fest. »Was geschieht mit euren Toten? Bei all den Kämpfen und Auseinandersetzungen müssen doch viele sterben.«
»Irhe’vorma sammelt sie auf.«
Ich nahm diese Information hin, ohne nachzuhaken. Es war offensichtlich, dass der Kahle bezüglich der Experimente über keine Fakten verfügte, und Spekulationen waren müßig. »Was weißt du über Tasamur?«, fragte ich stattdessen, und sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich.
Wieder erfuhr ich nichts Neues. Der Einäugige wiederholte lediglich, was ich ohnehin wusste. Tasamur hatte sich an die Spitze eines internen Machtgefüges gesetzt. Ihm hingen bereits viele an – ein dem Lager ähnliches Zentrum besaß er nicht. Er tauchte mal hier, mal da auf, ohne wirklich greifbar zu sein.
»Fest steht nur eins«, beendete der Kahle die Ausführungen. »Tasamur ist ein Gefangener der Schweißöde, und er zieht die Fäden in einem undurchschaubaren Spiel.«
Ich musterte während dieser Worte die Mimik meines Einsatzpartners, doch diese erwies sich als ebenso undurchschaubar.
Noch am Vormittag brachen Ohm und ich zu einem Erkundungsgang durch die Schweißöde auf. Wir planten, zum einen den Eingang zur Gladiatorenarena aufzusuchen, zum anderen den Zugang zu den unterirdischen Kavernen.
Außerdem wollten wir uns umhören und gelegentlich den Namen des ehemaligen Thakans fallen lassen. Ich war zuversichtlich, eine Spur zu ihm zu finden.
Wir betraten gerade den dreißig Meter breiten Sandstreifen, als ich Ohm bat, stehen zu bleiben. »Wir wurden gestern unterbrochen.«
Er fragte nicht nach, wusste sofort, worauf ich anspielte. »Wir waren bei der Frage stehen geblieben, wie Tasamur glauben konnte, an den bestehenden Machtverhältnissen etwas zu ändern. Der komplette SWD stand gegen ihn. Eine jahrhundertealte Tradition sprach gegen ihn. Aber Tasamur hatte einen entscheidenden Vorteil. Er scharte einen Trupp um sich. Verlorene, die zu allem bereit waren. Zwielichtige Gestalten, Gefallene, solche, die ganz unten angelangt waren.«
»Wie du.«
Er grinste breit. »Er bot uns eine Aufgabe und die Chance, in der neuen Regierung eine Vorrangstellung zu erlangen. Nur einer lehnte dankend ab. Er trieb wenige Stunden später tot im Chylamassa. Wir vier anderen erklärten uns bereit mitzuspielen. Und Tasamur weihte uns in sein sorgsam verborgenes Geheimnis ein.«
Ich wurde ungeduldig. Die Sonne brannte heiß auf uns, und der Sand unter unseren Füßen schien zu glühen. »Red schon!«
»Tasamur ist ein Mutant.«
Die Nachricht verschlug mir die Sprache.
»Um genauer zu sein, ist er ein Multitalent. Er beherrscht Telepathie und Telekinese. Außerdem ist er schwacher Empath.«
»Das heißt, er vermag Stimmungen anderer zu fühlen.«
»Nicht nur das. Er kann sie bis zu einem gewissen Grad auch suggestiv erzeugen und damit die Entscheidungen anderer beeinflussen.«
»Das erklärt wohl seine Karriere in der Schweißöde.«
»Er nennt sich nicht zu Unrecht König. Ich bin sicher, dass kaum ein Gefangener ihm widerstehen kann. Nur Irhe’vorma wird er nicht lenken können. Als Roboter ist der Kommandant mental nicht zu manipulieren.«
Der Extrasinn meldete sich zu Wort. Der Staatliche Wohlfahrtsdienst würde niemals dulden, dass ein Mutant als Thakan eingesetzt wird. Mutanten sind schwer zu kontrollieren, und ein Empath schwerer als alle anderen. Jede Psi-Fähigkeit würde einen potentiellen Kandidaten automatisch disqualifizieren. Also hat Tasamur vom Anfang seiner politischen Karriere an die Tatsache verheimlicht, dass er Mutantenfähigkeiten besitzt.
»Was genau hatte Tasamur damals mit eurer Hilfe vor?«, fragte ich.
»Der Plan war kompliziert. Er brauchte uns gewissermaßen als Strohmänner. Wir erledigten die Drecksarbeit für ihn. Damals gab es einige Tote. Man nannte es im Nachhinein Wirren der Machtübernahme , denn am Ende der ganzen Auseinandersetzungen stand die Wahl eines neuen Thakans.«
»Aerticos Gando.«
Ohm nickte. »Tasamur erwies sich als sehr großzügig. Er zahlte uns im Vorfeld aus. Ich kam damals zu einigem Reichtum.«
»Was unübersehbar ist, wenn man deine Wohnung betritt.«
Er lachte bitter. »Wenn ich mir die Annehmlichkeiten meiner Wohnung vorstelle, wird mir übel.« Er blickte auf die Elendshütten. »Wir haben Tasamur geschworen, nie etwas an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Niemand durfte je von seinen Psi-Fähigkeiten erfahren.
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