Atlan 12 - Monolith 02 - Todeszone Zartiryt
zu kippen.
»… und diesen Sammelimpuls schickt er nach wie vor alle zwei Minuten und 36 Sekunden raus«, sprang Milton Elks ein. »Dass er keine Empfänger mehr findet, ist irrelevant, weil der Hauptrechner nicht auf einen Rücklauf angewiesen ist. Das System funktioniert wie eine simple Uhr, die tickt, völlig gleichgültig, ob jemand da ist, der die Zeit von ihr abliest oder nicht. Das kann …«
»Dann unterbrechen Sie den Sammelimpuls«, fiel ihm Naileth Simmers ungeduldig ins Wort.
»Das geht leider nicht«, erwiderte Marcus Merten leise.
»Warum nicht?«
»Wie ich bereits sagte, ist der Sammelimpuls – ebenso wie die Impulse zu Beginn eines Wartungsintervalls – überautark. Das bedeutet, dass man ihn nicht abschalten kann . Er ist, wie einige andere lebenswichtige Ablaufroutinen, als unabhängiger Primärbefehl unmittelbar in die Basiskodierung der positronischen Kernstruktur eingelagert und damit selbst für die aggressivsten unter den Computerviren unangreifbar. Die Algorithmen bestehen nicht wie üblich aus positronisch-atomaren Feldern, sondern sind physisch in ein Kristallgitter integriert und damit unveränderlich. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, sie anzuhalten. Entweder man zerstört den Positronikkern und damit den gesamten Rechner …«
»… oder man schaltet ihn ab und fährt ihn danach wieder hoch«, ergänzte Milton Elks.
Drei Sekunden lang sprach niemand ein Wort. Naileth Simmers sah Marcus mit gerunzelter Stirn an.
»Dann tun Sie es«, sagte sie. »Schalten Sie den verdammten Rechner ab.«
Aus dem Empfänger des Interkoms kam ein Geräusch, als hätte sich der Cheftechniker an einem Stück marsianischen Sandkuchen verschluckt. Marcus wartete einen Moment. War Milton Elks noch fähig, die wahre Konsequenz dessen zu erkennen, was jetzt getan werden musste? Wusste er über Positroniken so gut Bescheid, dass er den Preis kannte, der für die Rettung des Schiffes zu bezahlen war? Nein, Milton Elks blieb stumm, und auf eine nie zuvor gekannte Weise fühlte sich Marcus Merten erleichtert.
»Das … das ist leider nicht ganz so einfach, Madam«, versuchte er zu erklären. »Wenn wir die Positronik abschalten, und ich meine wirklich abschalten, also inklusive aller Notstromaggregate, Reservebatterien und anderer Redundanzen, ist die IMASO im wahrsten Sinne des Wortes tot. Sämtliche Systeme sind dann von einem Augenblick auf den anderen ohne Leitimpulse und laufen Gefahr, innerhalb kürzester Zeit zu degenerieren. Das ist nicht so wie bei einem tragbaren Computer oder einer anderen Mobileinheit, die man einfach von der Stromzufuhr trennen und dann wieder einschalten kann. In unserem Fall müssen wir den Bordrechner für einige Minuten vollständig lahmlegen, denn selbst wenn er nur ein paar Ampere Restenergie empfängt, würde er sie sofort in die Ausführung der Primärbefehle investieren.«
»Wie groß ist das Risiko?«, wollte die Kommandantin wissen.
»Unkalkulierbar«, antwortete jetzt wieder Milton Elks. »Selbst bei Notabschaltungen wird ein Schiffsrechner üblicherweise nie gänzlich vom Netz getrennt. Im Gegensatz zu früheren Zeilenprogrammen bestehen die modernen Ablaufroutinen in der Hauptsache aus elektrisch geladenen Atomverbänden, die auf eine permanente Stromzufuhr angewiesen sind. Ohne Energie verlieren diese Gebilde schnell ihre strukturelle Ordnung und werden unbrauchbar. Das meinte Merten gerade, als er von degenerieren sprach. Wenn die Positronik wieder hochgefahren wird, ist nicht mehr gewährleistet, dass sie in gewohnter Weise funktioniert.«
»Schalten Sie sie ab«, sagte Naileth Simmers, deren Gesichtsfarbe in der vergangenen Minute immer mehr in Richtung Grau gewechselt war, gerade noch verständlich. Dann beugte sie sich zur Seite und übergab sich. Im gleichen Augenblick erfolgte die nächste Transition.
Die Zeit wurde knapp. Nach Meinung von Milton Elks war es ein mittleres Wunder, dass der Prallschirm um die IMASO noch nicht zusammengebrochen war. Die meisten Besatzungsmitglieder befanden längst nicht mehr in der Lage, ihren normalen Dienst zu verrichten. Sie hatten sich in kleinen oder größeren Grüppchen in den Kantinen und Aufenthaltsräumen zusammengefunden, versuchten sich gegenseitig Mut zuzusprechen oder lagen einfach nur apathisch in ihren Kabinen. Geriok Atair hatte bereits sechs Männer und vier Frauen in ein Heilkoma versetzen müssen, da sie besonders anfällig für die durch die Dauertransitionen ausgelösten Schmerzwellen gewesen
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