Atlan TH 0002 – Schergen der SOL
ist ein altes Schiff, aber niemand spricht über die Vergangenheit.«
»Ich weiß leider auch nicht viel«, sagte Tengor, und es klang, als spräche er mehr zu sich selbst als zu Tordya. »Ich werde noch sehr viel lernen müssen. Allerdings kann ich dir sagen, dass es nicht immer so war, wie es heute ist. Die Zeiten waren einst bessere – und sie werden es schon bald wieder sein.«
»Diese Ecke kenne ich«, sagte Tordya plötzlich aufgeregt. »Hier müssen wir uns nach links wenden und dann immer geradeaus.«
»Geh du voran«, sagte der Pyrride, der keiner war. Ein letztes Mal zögerte Tordya! Um sich selbst hatte sie in diesem Augenblick weniger Angst; sie dachte mehr an die Gefahren für ihre Freunde, die sie heraufbeschwor, wenn sie sich in dem Pyrriden irrte. Sie bildete sich auf ihre Menschenkenntnis durchaus etwas ein, doch unfehlbar war sie deshalb nicht. Endlich fasste sie einen Entschluss. Nein, sie irrte sich nicht. Das, was sie in diesem Mann zu erkennen glaubte, konnte er unmöglich heucheln. Sie schritt energisch aus.
Es tat gut, die bekannte Strecke zurückzulegen. Mit jeder Wegstunde, die sie sich von der Pyrridenhöhle entfernte, fühlte sich die Ferratin wohler.
»Wohin führst du mich?«, fragte Jon Tengor.
»Zu einem Quartier nahe den Hauptschleusen der SZ-1«, antwortete Tordya. »Du weißt, dass die Buhrlos lieber außerhalb der SOL leben als im Innern des Schiffes. Deswegen werden sie von vielen Solanern verabscheut, von manchen sogar gehasst.«
»Das weiß ich«, sagte Jon Tengor. »Das ist einer der Gründe, weswegen ich mit deinem Freund reden möchte.« Tordya erreichte die geheime Abzweigung. Es gab einen bestimmten Klopfkode, der eine sonst versperrte Tür öffnete. Dahinter führte eine Treppe hinab auf das Deck, auf dem sich einige Buhrlos, Ferraten und normale Solaner häuslich eingerichtet hatten.
Das Kodezeichen war noch gültig. Die Tür öffnete sich geräuschlos.
»Tritt ein«, sagte Tordya hastig, während sie sich umsah. Sie waren allein.
Wenig später schloss sich die Tür hinter dem ungleichen Paar.
14.
Was Chart Deccon zu sehen bekam, gefiel ihm überhaupt nicht. Es hatte sich wenig getan in der letzten Zeit. Noch immer hing die SOL in dem Zugstrahl fest, über den sich wenig mehr sagen ließ, als dass er das Schiff unbarmherzig in jenes unbekannte Sonnensystem hineinzog, das man ebenso schlicht wie zutreffend Mausefalle getauft hatte.
Deccon wälzte seinen massigen Körper auf dem Sessel in eine bequemere Lage. Die Monitoren zeigten seit Wochen ein unverändertes Bild – die SOL wurde in Mausefalle hineingezerrt, mal schneller, mal langsamer. Ein System war dabei noch immer nicht erkennbar.
Nur eines hatte sich vor kurzer Zeit geändert. Es gab eine neue Hochrechnung von SENECA, die den mutmaßlichen Zielpunkt der unfreiwilligen Reise betraf. Mit leidlicher Sicherheit hatte SENECA ermittelt, dass es der siebte Planet des Systems war, der den mächtigen Sogstrahl aussandte, gegen den bislang kein Mittel gefunden worden war.
Ein Summton verriet dem High Sideryt, dass ihn jemand zu sprechen wünschte. Deccon stellte die Verbindung her. Es war der Chef der Vystiden. Aksel von Dhrau machte ein finsteres Gesicht.
»Wir haben ihn noch immer nicht«, sagte er grimmig. Chart Deccon wusste sofort, wer damit gemeint war – der geheimnisvolle Fremde, dessen Ankunft an Bord ihm gemeldet worden war. Deccon stieß ein verächtliches Schnauben aus.
»Das ist ausgesprochen bedauerlich«, sagte der High Sideryt.
»Ich ... ich weiß«, entgegnete der Vystide unterwürfig. Er senkte den Kopf. »Aber wir haben schließlich auch noch ein paar andere Sorgen.«
»Langweile mich nicht mit Ausflüchten und Entschuldigungen«, sagte Chart Deccon kalt. »Warum ist der Fremde noch nicht in Gewahrsam?«
»Ein Mann ist klein, und dieses Schiff ist verdammt riesig«, versetzte von Dhrau kleinlaut. »Er kann sich Hunderttausende von kleinen und großen Räumen aussuchen, um sich darin zu verstecken. Wir tun unser Möglichstes, aber auch meine Leute können nicht zaubern.«
Chart Deccon erlaubte sich ein Lächeln. Dieser von Dhrau war zwar ein erbärmlicher Blender, der nach oben buckelte und nach unten trat, doch normalerweise erledigte er die ihm übertragenen Aufgaben schnell und gründlich. Wenn er diesen Atlan noch nicht aufgespürt hatte, dann war der Kerl offenbar wirklich äußerst schwer zu fangen.
»Sucht weiter«, bestimmte der High Sideryt.
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