Atlan TH 0003 – Der Katzer
Worte hatten Wunden geschlagen und die Sicherheit, die ihn in den letzten Tagen im Umgang mit France ausgezeichnet hatte, hinweggefegt. Sie war entschlossen, diese Wunden zu heilen, doch als sie ihre Unterkunft betraten, spürte sie, dass ihre eigenen Sorgen zu groß waren, als dass sie anderen bei deren Problemen hätte helfen können. Bjo musste selbst darüber hinwegkommen und wieder zu sich finden. Sie war sicher, dass es ihm gelingen würde, auch ohne ihre Unterstützung.
Während sie sich setzte, lief der Katzer unruhig im Raum auf und ab. Sie beobachtete ihn, verfolgte jede seiner Bewegungen. Er wartete förmlich auf ein freundliches, aufmunterndes Wort, und je länger das Schweigen zwischen ihnen dauerte, desto nervöser wurde er.
Schließlich wandte er sich um und sah sie offen an. »Vielleicht sollte ich mich an den Gedanken gewöhnen, dass ich niemals ein normales Leben führen kann«, sagte er. »Es wird immer Menschen geben, die sich an mir stören und mir bewusst machen, wie sehr ich mich von ihnen unterscheide.«
Sie erwiderte seinen Blick. In den katzenhaften Augen lag ein Schimmer von Traurigkeit. Aus einem Impuls heraus antwortete sie, und sie wunderte sich, wie leicht es ihr auf einmal doch fiel, auf ihn einzugehen. »Das sind Ausnahmen, Bjo. Jeder Mensch wird wegen irgendwelcher Dinge von anderen angefeindet. Das geht nicht nur dir so. Die Mehrzahl achtet und respektiert dich – das allein ist wichtig. Du solltest dich von der Vorstellung frei machen, dass du wegen deiner Mutation im Leben nur Nachteile zu erwarten hast. Du selbst hast doch die Erfahrung schon gemacht, dass es eher umgekehrt ist.«
Eine Weile schwieg er nachdenklich, dann nickte er. »Du hast ja recht.« Es klang beinahe kleinlaut. »Du darfst mir nicht böse sein, aber manchmal bedrückt es mich, und dann bin ich froh, wenn ich mit jemand darüber reden kann.« Spontan ging er zu ihr und strich ihr durch die Haare. »Es tut mir leid, wenn ich dich damit belästigt habe. Du hast weiß Gott genug eigene Sorgen.«
»Du hast mich nicht belästigt«, versicherte sie, während sie seine Hand ergriff und zärtlich drückte. »Ich kann mich nur im Moment nicht richtig konzentrieren. Meine Gedanken kreisen immer wieder um meinen Vater.«
»Ich glaube noch immer nicht an eine Verurteilung«, sagte er, und sie merkte, dass er sie nicht nur beruhigen wollte. Es war seine Überzeugung. »Das Gericht hat Josc gebeten, eine Stellungnahme abzugeben. Er wird Pergs Loyalität bestätigen. Auch wenn er an Bord nicht mehr viel Einfluss hat, besitzt seine Stimme immer noch Gewicht.«
»Du machst dir etwas vor, wenn du so denkst.« France atmete tief ein. »Nein, Bjo, wir dürfen uns in dieser Richtung keine Illusionen machen. Wir haben vorhin schon darüber gesprochen.«
Der Katzer wandte sich ab und ließ vom Getränkeautomaten zwei Cocktails mixen. Einen stellte er vor France auf den Tisch, den anderen hielt er in der Hand und nippte daran. »Was willst du tun, wenn dein Vater in die Verbannung geschickt wird?«, fragte er leise.
Sie ahnte, was er wirklich wissen wollte. Den Angehörigen und Freunden von Personen, die eine Strafzeit auf einem Planeten zu verbüßen hatten, blieb es grundsätzlich freigestellt, ob sie die Verurteilten begleiten und die schweren Jahre an deren Seite verbringen wollten. Niemand würde sie aufhalten, wenn sie sich entschlossen, mit ihnen zu gehen.
Wie sie, France, sich verhalten sollte, war ihr selbst noch nicht klar. Sie musste eine Wahl treffen – nicht nur zwischen zwei Welten, sondern auch zwischen zwei Menschen. Noch war sie sich nicht sicher, zu wem ihre Bindung letztlich stärker sein würde. Sie wusste nur, dass es die schwerste Entscheidung ihres Lebens werden würde.
Mit leeren Augen fixierte sie das Cocktailglas. »Ich kann es noch nicht sagen«, gab sie zu. »Wahrscheinlich werde ich versuchen, Perg den Abschied etwas leichter zu machen, indem ich ihn nach unten begleite. Er soll nicht das Gefühl haben, dass ich mich von ihm abwende.«
Langsam stand sie auf und legte dem Katzer eine Hand auf die Schulter. »Alles Weitere wird sich ergeben ...«
Bjo leerte sein Glas in einem Zug und stellte es hart auf der Tischplatte ab. »Dann komme ich ebenfalls mit«, sagte er entschlossen. »Ich möchte nicht, dass du diesen Weg allein gehst. Es ist nicht einfach, sich von seinem Vater zu trennen.«
Sie zuckte innerlich zusammen. Schlagartig begriff sie, dass sie seine Frage falsch verstanden hatte. Er
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