Atlan TH 0006 – Stadt der Freien
dass Bjo Breiskoll sich niemals zum reinen Vergnügen von der Gruppe entfernt hätte. Wenn der Katzer sich nicht meldete, dann gab es dafür garantiert einen guten Grund.
Die Tür des ersten Hauses stand offen. Atlan und Yaal traten ein. Sie kamen in einen halbdunklen Korridor, der von einem eigenartigen Geruch erfüllt war.
»Was ist das für ein ...?«, stieß Gavro Yaal hervor, dann schüttelte er den Kopf und presste beide Hände gegen seine Schläfen.
Ruhig bleiben, wisperte der Extrasinn. Keine Gefahr.
Der Arkonide blieb stehen und versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Das war jedoch gar nicht so leicht, denn irgendetwas hatte in ihm einen wahren Orkan von Emotionen ausgelöst.
Chemische Botenstoffe in hoher Konzentration, teilte ihm sein Logiksektor mit.
Atlan hatte bereits so etwas geahnt. Es war ihm unter Aufbietung seiner ganzen Willenskraft gelungen, den Gefühlsorkan in sich unter Kontrolle zu bringen. Nun glaubte er zwischen all den überbordenden Emotionen, eine immer stärker werdende Verlockung wahrzunehmen. Bewusst vernachlässigte er die Konzentration auf seine Mentalstabilisierung für einige Sekunden. Prompt drangen auf einmal klare Gedanken und Informationen durch das Gefühlschaos.
Die Bewohner dieses Hauses waren offenbar nichts anderes als intelligente genetische Strukturen, deren Lebensaufgabe darin bestand, geeignete andere Strukturen zu finden, denen sie ihre Erbinformationen aufprägen konnten. Es dauerte nicht lange, bis der Arkonide starke ablehnende Impulse empfing, die ihn dazu aufforderten, das Haus zu verlassen. Offenbar hatten die Unbekannten im Hintergrund festgestellt, dass er für ihre Zwecke nicht geeignet war.
Atlan wandte sich zur Seite und sah, dass Gavro Yaal seinen Impulsstrahler gezogen hatte. Er war ihm jedoch aus der Hand gefallen, und der Solgeborene kroch auf dem Boden herum, um ihn wiederzufinden.
Der Unsterbliche hob die Waffe mit einer Hand auf, mit der anderen Hand packte er Yaal am Gürtel und zog ihn hinter sich her und aus dem Haus auf die Straße zurück. Dort ließ er ihn los.
»Tief Luft holen, Gavro«, forderte er ihn auf.
Keuchend wälzte der Solaner sich auf dem Boden. Erst allmählich wurde sein Atem ruhiger, dann setzte er sich auf und starrte zum Haus zurück.
»Fühlst du dich besser?«, erkundigte sich Atlan.
Gavro Yaal blickte den Arkoniden aus geröteten Augen an.
»Dieser Geruch«, stieß er hervor. »Man wollte uns in eine Falle locken. Wo ist mein Strahler? Wir müssen das Haus zerstören, damit nicht noch mehr Unschuldige in seinen Bann geraten.«
»Hör auf, solchen Unsinn zu reden, Gavro«, bat Atlan bitter. »Der Geruch kam von speziellen chemischen Botenstoffen, von organischen Molekülen, die als Informationsträger dienen. Allerdings wirkte diese Information auf unsere Gefühle, nicht auf den Verstand. Deshalb waren wir verwirrt. Der Zweck von alldem war dabei lediglich, uns zur Umkehr zu bewegen, und nicht, uns in eine Falle zu locken.«
»Das verstehe ich nicht«, erwiderte Yaal.
Der Arkonide erklärte ihm, was er mithilfe seiner Mentalstabilisierung und der Fokussierung auf die hinter dem Gefühlssturm verborgene Botschaft erkannt und welche Schlüsse er daraus gezogen hatte.
»Die genetischen Strukturen fürchteten, unsere Anwesenheit könnte eventuell einen besser für sie geeigneten Wirt davon abhalten, das Haus zu betreten«, schloss er. »Vielleicht warten die Hausbewohner schon seit Jahrtausenden darauf, ihren eigentlichen Daseinszweck zu erfüllen.«
»Aber wie kann so etwas Unnatürliches entstehen?«, fragte Gavro Yaal verstört. »Und wie können genetische Strukturen überhaupt chemische Botenstoffe erzeugen? Dazu gehören doch Körperorgane. Wenn es stimmt, was du sagst, bestehen die Bewohner des Hauses aber nur aus einem Gen-Gerüst. Sie besitzen keine Körper, sondern setzen sich lediglich aus DNS-Ketten zusammen.«
»Die Flammenwesen sollten dir bereits gezeigt haben, dass die Natur nicht vor unserer begrenzten Vorstellungskraft haltmacht«, erwiderte Atlan und gab dem Solaner seine Waffe zurück. »Der Kosmos akzeptiert offenkundig eine gewaltige Anzahl von Voraussetzungen, unter denen das Entstehen von Leben möglich ist. Je mehr Erfahrungen ich mit der daraus resultierenden Vielfalt sammle, desto größer wird meine Ehrfurcht vor dem, was das Universum repräsentiert und was wir wahrscheinlich niemals in vollem Umfang verstehen werden.«
»Ehrfurcht«, wiederholte Gavro Yaal
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