Atlan TH 0010 – Das Gesetz der Erbauer
die SOLAG eingreifen würde. Aber diese Hoffnung – oder Befürchtung – erfüllte sich nicht.
Hin und wieder sah er nach dem High Sideryt, der langsam wieder zu sich kam. Chart Deccon war längst nicht mehr so blass wie noch vor wenigen Stunden, aber noch immer zu schwach, um aufzustehen.
Atlan versorgte ihn mit Konzentratnahrung, die er in einem Schrank gefunden hatte. Auch er selbst aß davon. Der Bruder ohne Wertigkeit hatte Vorräte für mehrere Monate in seiner Klause gebunkert.
Anfangs murmelte Deccon noch wirres Zeug und erkannte den Arkoniden nicht. Aber irgendwann gellte sein Schrei durch den Raum. »Atlan!«
Der Arkonide wandte sich von den Kontrollen um. »Es wird auch langsam Zeit«, sagte er trocken. »Wie fühlst du dich?«
Chart Deccon versuchte, sich zu erheben, schaffte es aber nicht. Mit einem wüsten Fluch auf den Lippen sank er zurück.
»Du solltest dich schonen«, riet Atlan.
»Verdammt!«, keuchte der High Sideryt. »Wie kommst du hier rein?«
»Durch die Tür.«
Deccon schien noch immer Schmerzen zu haben, denn er presste die Arme gegen den Leib. Seine Stimme klang gequält, und er rang nach Atem, als er weitersprach. »Du warst es, nicht wahr? Du bist auf Rache aus, hast mir das E-kick ...« Ächzend brach er ab, richtete sich wieder auf und griff sich mit beiden Händen an den Kopf. »Nein«, flüsterte er. »Das kann nicht sein. Du warst in der Zentrale. Ich habe dich gesehen. Du hast geredet von ... von Osath und einem Monster. Du ...«
»Beruhige dich endlich«, sagte Atlan. »Ich bin nicht hier, um dir etwas anzutun. Im Gegenteil.«
»Geh!«, zischte Deccon. »Lass mich allein, oder meine Roboter werden dich ... Wo sind sie? Was hast du mit ihnen gemacht? Meine Leibwache ...«
»Wir sind allein.« Atlan sprach langsam und deutlich. »Und ich gehe nirgendwohin, denn wir beide haben viel zu bereden. Weißt du, wer dich überfallen hat?«
»Nein.« Chart Deccon schüttelte den Kopf. »Ich habe niemanden gesehen ... nur gehört.«
Lass ihm Zeit, riet das Extrahirn. Er ist noch zu schwach, um wichtige Entscheidungen zu treffen.
Atlan wandte sich erneut den Kontrollen zu. Allmählich reifte in ihm der Entschluss, den Magniden reinen Wein einzuschenken. Nur so konnte er wirklich weiterkommen, nachdem alle Versuche, Weicos an Bord der SOL aufzuspüren, erfolglos geblieben waren.
Er gab sich keinen großen Hoffnungen mehr hin. Zumindest der Herr in den Kuppeln schien genau gewusst zu haben, worauf er sich einließ. Dass die Monster das Schiff verließen, konnte nur noch mit Gewalt verhindert werden – und ein solches Vorgehen kam für den Unsterblichen nicht infrage.
Aber noch gab Atlan nicht auf – noch hatte er nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die ihm die technischen Einrichtungen der Klause boten. Er überwachte auch den offiziellen Funkverkehr über Interkom, hatte jedoch bislang nicht viel mehr zu hören bekommen als belanglose Befehle der Magniden an die Brüder und Schwestern der unteren Wertigkeiten. Der Tag-/Nacht-Wechsel stand kurz bevor. Die allgemeine Aufregung hatte sich längst gelegt, nachdem die Demontageroboter seit beinahe drei Tagen regungslos verharrten. Dennoch wagten die Solaner nicht, die zuvor geräumten Sektoren aufzusuchen, denn die Situation konnte sich jeden Moment ändern.
Hörst du es nicht?, flüsterte der Extrasinn unvermittelt.
Atlan verstand nicht sofort, was sein Logiksektor meinte. Da war nur das leise Knistern einander überlappender Störfrequenzen, die allem Anschein nach von Osath aus durchschlugen.
Justiere die Feinabstimmung!
Das Knistern verschwand. Was blieb, war ein kaum wahrnehmbares melodisches Rauschen.
Das Klangbild einer Stimme, behauptete der Extrasinn.
Atlan versuchte, durch Frequenzmodulation eine bessere Wiedergabe zu erreichen. Ihm war schnell klar geworden, dass hier offensichtlich jemand den Interkom für seine eigenen Zwecke angezapft hatte. Vielleicht war er durch Zufall auf eine Spur gestoßen.
Endlich, nach beinahe zehn Minuten, kamen die ersten verständlichen Worte aus dem Lautsprecher. Die Empfangsqualität war allerdings noch immer denkbar schlecht.
»... sind bereit, die Nachricht weiterzugeben. Er wird nicht ... sein, aber ...«
»Die Zeit drängt ... müssen ... «
»Wie sieht ... der SZ-2 aus? Haben alle ... ausgesprochen? Schließlich ... die Entscheidung ... nicht mehr rückgängig ... Schritt.«
Vorübergehend trat Stille ein. Atlan glaubte schon, dass die Sprecher die Frequenz
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