Atlan TH 0010 – Das Gesetz der Erbauer
habe es selbst erlebt.«
»Eine tief greifende Veränderung lässt sich nicht von heute auf morgen erreichen, Mädchen«, sagte der Albino. »Glaub mir, wir tun, was in unserer Macht steht, aber wir können keine Wunder vollbringen. Die Zustände an Bord lassen dies nicht zu. Aber wir versuchen so viele wie möglich zu retten. Für die, die wir rechtzeitig finden, wurden Ausbildungszentren eingerichtet und nach allen Regeln der Kunst getarnt. Aber diese Schulen sind selten. Ich weiß nur, dass es in jeder SOL-Zelle einige gibt, zwischen denen aber leider kaum Verbindungen bestehen.«
»Kann Germa bei euch bleiben?«, fragte Sylva zögernd.
»Wenn sie das will.« Merhim lächelte.
Horm Brast machte eine umfassende Handbewegung. »Wie konnte das alles unbemerkt entstehen?«, wollte er wissen.
»Mithilfe der SOLAG.« Merhim stieß ein kurzes Lachen aus. »Ja, es ist wahr. Viele Ferratenkinder wirken anfangs völlig normal. Sie genießen eine hervorragende Ausbildung und werden häufig schon von frühester Jugend an von den Ahlnaten erzogen und mit fast allen Geheimnissen der SOL vertraut gemacht. Die meisten erkennen aber früher oder später, vor allem, wenn sie selbst die ersten Missbildungen an sich feststellen, welches Unrecht geschieht, und verbünden sich mit uns.«
»Davon wusste ich nichts«, sagte Horm Brast.
»Natürlich nicht«, gab Merhim ernst zurück. »So etwas hängen weder wir noch die Ferraten an die große Glocke.«
Atlan schreckte hoch. Ein leises Summen hatte ihn geweckt.
Auf einem der Steuerpulte blinkte ein Licht. Jemand aus der Zentrale wollte mit Chart Deccon sprechen. War es ratsam, den Anruf entgegenzunehmen?
Das leise Summen blieb. Zögernd streckte der Arkonide die Hand aus; dann aktivierte er die Sprechverbindung, ließ die Kamera allerdings abgeschaltet.
Wajsto Kolsch schien es nicht zu stören, dass sein Bildschirm dunkel blieb. Atlan hingegen sah den Magniden so deutlich vor sich, als stünde er ihm unmittelbar gegenüber. Kolsch war sichtlich aufgeregt.
»An Bord gehen Dinge vor, die sich unserer Kontrolle entziehen«, sprudelte er heraus. »Vor allem die Buhrlos entwickeln gesteigerte Aktivitäten. Es sind ungewöhnlich viele von ihnen draußen. Und es sieht ganz danach aus, als würde eine Wanderung zwischen den einzelnen Schiffsteilen stattfinden.« Kolsch legte eine Pause ein, wahrscheinlich, weil er auf die Antwort des High Sideryt wartete. Dass sie ausblieb, enttäuschte ihn.
»Sollen wir etwas unternehmen? Die SOLAG ist zwar merklich geschwächt, aber mit den Gläsernen werden wir fertig.«
»Unternehmt nichts – wir melden uns«, sagte Atlan und schaltete kurzerhand ab.
Diese Aktivitäten sind mit einiger Wahrscheinlichkeit auf das Wirken von Weicos zurückzuführen, flüsterte der Extrasinn. Es gibt nicht viele Wege, um vom SOL-Mittelteil aus Verbindung zu den beiden Zellen aufzunehmen.
»Wo mag der Kerl stecken?«, fragte sich Atlan zum wiederholten Mal. Es hatte wenig Sinn, ihn aufs Geratewohl zu suchen. Vielleicht ließ sich mit Weicos doch noch verhandeln, wenn Chart Deccon erst wieder auf den Beinen war. Das Robbenwesen musste doch irgendwann einsehen, dass sein Plan zu viele unkalkulierbare Risiken barg und dass es sinnvoller war, an Bord der SOL für eine Verbesserung der Verhältnisse zu kämpfen, als zeitlebens auf einem Planeten festzusitzen, der von Robotern beherrscht wurde.
Atlan hatte die Möglichkeit, sich in sämtliche Kanäle der Zentrale einzuschalten. Und er nutzte sie. Falls die Magniden die Manipulationen bemerkten, sollten sie sich ruhig die Köpfe darüber zerbrechen, was in Deccons Klause vor sich ging.
Weicos fand nur selten Gelegenheit, sich ein oder zwei Stunden Schlaf zu gönnen. Allmählich machte die ungeheure Anspannung, unter der er stand, sich unangenehm bemerkbar. Er fühlte die beginnende Schwäche. Immer öfter ertappte er sich dabei, dass er Dinge übersah, die er eigentlich wissen musste.
Aber der Anfang war gemacht.
Einen halben Tag lag es inzwischen zurück, dass Thorn Dyll persönlich Nachricht von der SZ-2 gebracht hatte – und Grüße von seinen Freunden. Die Mehrheit hatte sich spontan bereit erklärt, ihm zu folgen. Für Weicos ein ermutigendes Ergebnis, das ihm die Kraft gab, weiterzumachen.
Allerdings wurden auch Gegenstimmen laut. Männer und Frauen, denen das Leben auf einem Planeten wie der Inbegriff alles Schlechten erschien, vertraten lautstark die Botschaft, dass Weicos den Verstand verloren
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