Atlan TH 0010 – Das Gesetz der Erbauer
Betreuer wie Klottot-Not Nullvier war ihr allerdings noch nicht über den Weg gelaufen.
Für Hajke gestaltete sich die Umstellung auf osathische Verhältnisse weniger schwierig als für die meisten anderen ihrer Mitstreiter. Bemerkenswert schnell gewöhnte sie sich an die fremden Gegebenheiten eines Planeten – an den angenehm weichen Untergrund, den der grasbewachsene Boden ihr bot, an den Duft vielfältiger Pflanzen und an das Aroma frischen Wassers, das ein kühler Wind vom See herübertrug. Auf der SOL gab es solche Dinge nicht. Innerhalb kurzer Zeit hatte sie sie schätzen gelernt.
Merkwürdigerweise schien ihre Zufriedenheit unmittelbar mit der Existenz Silberauges zusammenzuhängen. In Momenten wie diesem, da der Mutierte sich nicht um sie kümmerte, wurde sie nach einer Weile von jener seltsamen Stimmung heimgesucht, die ihr schon beim ersten Kontakt mit dem Planeten zu schaffen gemacht hatte. Dann wirkte vieles wieder trostlos und begann ihr einen Großteil ihrer Zuversicht zu rauben.
Auch jetzt schlich sich die Melancholie nach und nach in ihr Herz. Sie lag auf dem Rücken und betrachtete trübsinnig die dichten Wolkenfelder, die träge im Wind dahintrieben. Richtig hell wurde es auf Osath offenbar nie. Die Sonne versteckte sich permanent hinter den Wolken. Auf der SOL dagegen sorgten künstliche Lampen für normales, jederzeit präsentes Licht.
»Du grämst dich schon wieder!«
Sie kannte die Stimme. Silberauge hatte sich fast lautlos genähert und sah auf sie herab. Sofort legte sich der Anflug von Depression. Sie richtete sich auf und erhob sich. Mit den flachen Händen klopfte sie einige Erdreste von ihrer Kleidung.
»Ich habe die Wolken beobachtet«, sagte sie beinahe entschuldigend, »und mir überlegt, wie es ist, ein ganzes Leben ohne richtiges Tageslicht auskommen zu müssen.«
»An Bord des Schiffes war es nicht anders.«
»Es war heller«, widersprach sie, »kräftiger und strahlender. Verstehst du, was ich meine?«
»Sicher«, nickte er, und abermals trat jener seltsame Schimmer in seine pupillenlosen Augen. Gleichzeitig hob er bedauernd die Schultern. »Ich weiß nicht recht, wie ich es erklären soll ... Die Beleuchtung auf der SOL ist künstlich und kalt, während das Licht auf Osath trotz seiner Düsterkeit freundlicher wirkt, wärmer ...«
»Ich werde mich daran gewöhnen«, winkte sie ab. »Manchmal stört mich das eine oder andere noch, aber solche Augenblicke werden immer seltener.«
Sie sagte das leichthin, dabei wunderte sie sich, wie schnell der Wechsel ihrer Stimmungen erfolgte. Kaum war Silberauge in ihrer Nähe, erfüllten sie wieder grenzenlose Zuversicht und Lebensfreude. Sie wusste keine Erklärung dafür.
Darauf ansprechen wollte sie den Mutierten nicht, und er selbst schien nicht zu merken, was in ihr vorging, oder er schwieg sich darüber aus. Hoch aufgerichtet stand er da, ruhig atmend und mit glitzernden Augen.
»Du bist ein seltsamer Mensch«, sagte Hajke gedehnt.
»Für dich vielleicht«, räumte Silberauge ein. »Auf der SOL war ich ein Monster wie alle anderen.«
»Und wie siehst du dich selbst?«, forschte sie weiter.
Er lachte und nahm der Frage damit jede Ernsthaftigkeit. »Willst du philosophisch werden oder lieber ein Abenteuer erleben?«
»Ich verstehe nicht!«
»Ich will in den Keller unseres neuen Hauses«, sagte er. »Und ich suche jemanden, der mich begleitet.«
»In den Keller?«, wiederholte Hajke verständnislos. »Wozu?«
»Einfach so«, meinte er gelassen. »Um nachzusehen, was es dort an interessanten Dingen gibt.«
»Und dazu brauchst du mich?«
»Es war nur ein Vorschlag. Ich dachte, du könntest etwas Abwechslung vertragen. Wenn du Besseres zu tun hast ...«
Etwas an seiner Sprechweise störte die Solanerin. Sie fragte sich, welche Motivation hinter seiner Idee steckte. Die pure Neugier, die er vorgab, nahm sie ihm nur zum Teil ab.
Es war ein vager Eindruck, der fast unbewusst in ihr entstand, und er verschwand sofort, als sie das leise Brummen eines nahenden Fluggleiters vernahm. Übergangslos richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf die Maschine, die nur zehn Meter von ihrem Standort entfernt niederging. Kaum hatte sie den Boden berührt, als sich die Seitentür öffnete. In der Art eines sich plump gebärdenden Reptils stieg der namenlose Krötenmensch aus dem Innenraum des Transporters.
Zunächst glaubte Hajke, er sei allein zurückgekommen, doch gleich darauf wurde sie eines Besseren belehrt.
»Du bist ein Flegel!«,
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