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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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AMERIKA. Hinter diesen Türen hört man das gedämpfte Klickerklacker von Tasten und das etwas lautere Klingeln von Telefonen.

    »Schönen Tag noch, Bill.«
    »Gleichfalls.«
    Der dürre Mann betritt sein Büro, und Bill sieht für einen Moment einen großen Kranz an der gegenüberliegenden Wand des Raumes hängen. Außerdem sind die Fenster mit Schnee aus der Sprühdose dekoriert. Er fröstelt und denkt: Gott segne uns alle.

9.05 Uhr
    Sein Büro - eines der beiden, die er in diesem Gebäude hat - liegt am hintersten Ende des Flurs. Die beiden angrenzenden Büros sind schon seit einem halben Jahr dunkel und leer, und das ist ihm auch ganz recht so. Auf der Milchglasscheibe seiner eigenen Bürotür stehen die Worte WESTERN STATES LAND ANALYSTS. An der Tür sind drei Schlösser: eines, das bereits da war, als er in das Gebäude eingezogen ist, und zwei, die er selbst angebracht hat. Er betritt sein Büro, macht die Tür zu, schließt sie ab und legt dann das Multiriegelschloss vor.
    Mitten in dem Raum steht ein Schreibtisch. Er ist mit Papieren übersät, die aber allesamt völlig bedeutungslos sind, nur Tarnung für den Reinigungsdienst. Hin und wieder wirft er sie alle weg und verteilt einen frischen Stoß. Mitten auf dem Schreibtisch steht ein Telefon, das er hin und wieder benutzt, damit die Telefongesellschaft die Leitung nicht als total inaktiv registriert. Letztes Jahr hat er einen Kopierer gekauft, der drüben in seiner Ecke neben der Tür zum zweiten kleinen Raum des Büros sehr geschäftsmäßig wirkt, aber noch nie benutzt worden ist.

    »Hörst du, was ich höre, riechst du, was ich rieche, schmeckst du, was ich schmecke«, murmelt er und geht zu der Tür hinüber, die zum zweiten Raum führt. Darin sind Regale mit hohen Stapeln weiterer bedeutungsloser Papiere, zwei große Aktenschränke (auf einem liegt ein Walkman, seine Ausrede für die seltenen Situationen, wenn jemand an die verschlossene Tür klopft und niemand aufmacht), ein Stuhl und eine Trittleiter.
    Bill nimmt die Trittleiter mit in den Hauptraum zurück und klappt sie links vom Schreibtisch auf. Er legt seinen Aktenkoffer darauf. Dann steigt er die ersten drei Stufen der Leiter hoch, langt nach oben (die untere Hälfte seines Mantels bauscht sich dabei um seine Beine) und schiebt vorsichtig eine der aufgehängten Deckenvertäfelungen beiseite.
    Darüber ist ein dunkler Bereich, den man nicht so recht als Versorgungsraum bezeichnen kann, obwohl ein paar Rohre und Leitungen hindurchlaufen. Hier oben gibt es keinen Staub, jedenfalls nicht in der unmittelbaren Umgebung, und auch keine Nagetierkötel - einmal pro Monat legt er Mäusegift aus. Er möchte natürlich, dass seine Kleidung auf dem Hinweg und dem Rückweg sauber bleibt, aber das ist ihm eigentlich gar nicht so wichtig. Wichtig ist, dass man seine Arbeit und sein Spezialgebiet achten muss. Das hat er bei der Army gelernt, während seiner Zeit im Grünen, und er denkt manchmal, dass es das Zweitwichtigste ist, was er je im Leben gelernt hat. Das Wichtigste ist, dass nur Buße die Beichte ersetzt und dass nur Buße die Identität definiert. Diese Lektion hat er 1960 zu lernen begonnen, mit vierzehn Jahren. Damals konnte er zum letzten Mal mit den Worten »Segne mich, Vater, denn ich habe gesündigt« in den Beichtstuhl treten und dann alles erzählen.
    Buße ist wichtig für ihn.
    Gott segne uns, denkt er in der muffig riechenden Dunkelheit des Versorgungsraums. Gott segne dich, Gott segne mich, Gott segne uns alle.
    Über diesem engen Raum (ein geisterhafter, sanfter Wind pfeift unaufhörlich hindurch und trägt den Geruch von Staub und das Ächzen der Fahrstühle heran) ist der Boden des fünften Stocks, und darin befindet sich eine quadratische Falltür mit einer Seitenlänge von ungefähr fünfundsiebzig Zentimetern. Bill hat sie selbst eingebaut; er kann gut mit Werkzeug umgehen - eins der Dinge, die Sharon an ihm zu schätzen weiß.
    Er klappt die Falltür hoch, lässt das gedämpfte Licht von oben herein und packt seinen Aktenkoffer am Griff. Als er den Kopf in den Raum zwischen den Stockwerken steckt, gluckert Wasser geräuschvoll durch das dicke Badezimmerrohr sechs bis zehn Meter nördlich von seiner gegenwärtigen Position. In einer Stunde, wenn die Leute im Gebäude mit ihrer Kaffeepause beginnen, wird dieses Geräusch so konstant und rhythmisch sein wie Wellen, die sich an einem Strand brechen. Bill nimmt kaum Notiz von diesem und den anderen Geräuschen zwischen den

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