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Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition)

Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition)

Titel: Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Rothmaier
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gescheiterte Ehe anspielend. Doch nichts lag Paule ferner als das. Sie nahm wortlos meine Hand und zog mich hinaus.
    Nach endlosem Klingeln nahm Gerda den Hörer ab und meldete sich mit frischer Stimme.
    »Du bist es«, sagte sie nur, als ich zu sprechen begonnen hatte und nach Paule fragte. Nein, sie habe nichts von ihr gehört, schon lange nicht mehr, genau genommen seit unserem Besuch im letzten Herbst. Ich sagte ihr, dass Paule verschwunden sei und ich mir Sorgen machen würde. Lio und meine Situation erwähnte ich nicht. Warum, weiß ich nicht, doch Gerda schien sich auch nicht dafür zu interessieren, ob ihr Enkelkind inzwischen auf die Welt gekommen war. Ich bat sie um Adressen oder Namen von Freundinnen oder Bekannten aus der Schulzeit, und sie nannte mir ein paar Namen, die mir alle unbekannt waren. Einige der Frauen hätten wohl in der Zwischenzeit den Namen gewechselt, ich müsste halt ein wenig recherchieren. Mehr falle ihr auch nicht ein. Als ich auflegte, hatte ich das Gefühl, einer seit Langem ausstehenden, lästigen Pflicht genügt zu haben, und redete mir ein, ich hätte es für Lio getan. Für mein Kind.
    Sie behielten Lio eine Woche im Krankenhaus, wo sie langsam an Gewicht zulegte und meist schlief, wenn ich kam. Einmal lag sie nicht in ihrem Zimmer, und auf Nachfragen fand ich sie in der Neurologie, schlafend, wie immer, das schwarze Haar büschelweise mit Elektroden verklebt. Blitze aus einem Stroboskop schossen auf ihre Augen, sie sei » spontan« eingeschlafen, sagte die untersuchende Ärztin, die im Dunkeln neben ihr saß und einen Monitor beobachtete, mit rechtfertigendem Unterton in der Stimme. Das EEG zeigte wie die Ergebnisse der zahlreichen anderen Untersuchungen keine Auffälligkeiten. Erleichtert, fast glücklich, ging ich kurz darauf zur Schlussbesprechung mit den behandelnden Ärzten, wurde von der Stationsschwester in eine Kammer mit blank gebohnertem Linoleumboden geschickt, saß vor der leeren Resopalfläche eines Besprechungstischs und wartete. Eine Wollmaus hatte sich unter den Heizkörper verkrochen und hockte in der Ecke, wo sie ebenfalls zu warten schien. Sie zuckte und zitterte, flog eine Handbreit auf und setzte sich behutsam wieder, als die Tür mit Schwung geöffnet wurde und ein junger Mann eintrat. Er trug den Arztkittel offen und drückte Lios Dossier mit überkreuzten Armen an die Brust. Der leichte Nebel eines Bartflaums überspann seine Wangen, sein schütteres blondes Haar war mit Klebgel kunstvoll zerzaust. Dr. Hugentobler, Assistenzarzt, stand auf dem Ansteckschild, was mich noch fröhlicher machte, denn ich war mir sicher, dies konnte keine Besprechung sein, in der es um Wichtiges ging. Nicht mit einem Assistenzarzt. Schon gar nicht mit diesem Assistenzarzt. Ich nahm die dargebotene Hand und drückte ihr weiches Fleisch lang und fest. Er ließ sich nichts anmerken.
    »Herr … ähm.« Er hob den Deckel von Lios Akte. »Herr Leutenegger.« Ich lachte, und er sah mir zum ersten Mal in die Augen.
    »Michaelis«, korrigierte ich. »Ich bin der Vater von Lio Leutenegger.«
    »Aha. Herr … ähm, Michaelis. Bitte nehmen Sie Platz.«
    Er setzte sich mir gegenüber und blätterte in den Papieren.
    »Die Laborwerte«, er betonte das Wort auf der ersten Silbe, »die Laborwerte sind normal, alle Untersuchungen ohne auffälligen Befund. Mhm. EEG .« Er blätterte vor und zurück.
    »Wann kommt die Stationsärztin?«, fragte ich.
    »Frau Dr. Studer ist zu einem Kongress der Neonatologen in die USA gereist«, mein Gegenüber lächelte in Richtung der Diagramme mit Lios Werten auf dem Tisch, und ich wurde immer besser gestimmt. Ich hatte recht. Keine relevanten Neuigkeiten in diesem Gespräch, schon gleich keine schlechten.
    »… und hat mich beauftragt, das Gespräch mit Ihnen zu führen. Aha.« Er blätterte. »Auch hier, normale Blutwerte, Ultraschall ohne Befund. Nun …«
    »Wenn sie gesund ist, dann will ich sie jetzt mit nach Hause nehmen. Danke für das Gespräch.« Ich erhob mich.
    »Sehen Sie«, unterbrach er mich, »das heißt es eben nicht.« Ich hörte nicht zu, sondern reichte ihm über den Tisch hinweg die Hand. Die Wollmaus in der Ecke hinter ihm rührte sich nicht.
    »Bitte nehmen Sie wieder Platz.« Er schob die Papiere zusammen und fuhr sich mit der Hand in den Nacken. »Das Chindli ist organisch ganz gesund«, sagte er, während er rieb. »Es fehlt ihm im Einzelnen nichts.«
    »Das beruhigt mich«, sagte ich.
    »Für uns Ärzte«, er betonte das uns,

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