Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)
Ich sehe da keinen Zusammenhang.«
»Ganz im Gegenteil, Corrie – Sie sehen alles.
Sie müssen kühner werden im Ziehen von Schlussfolgerungen.
« Pendergasts Augen glänzten, als er den Satz zitierte.
Corrie runzelte die Stirn. Was für ein Zusammenhang bestand da? Sie wünschte, Pendergast würde es ihr einfach sagen, statt an ihr die sokratische Methode auszuprobieren. »Können wir bitte auf das lehrhafte Moment verzichten? Wenn es offensichtlich ist, können Sie es mir doch einfach verraten.«
»Wir spielen hier kein Intelligenzspiel. Dies ist todernst – vor allem für Sie. Es überrascht mich, dass Sie noch nicht bedroht worden sind.«
Er hielt inne. In der Stille dachte Corrie an den Schuss auf ihren Wagen, den toten Hund, den Brief. Sie sollte es Pendergast sagen – früher oder später würde er bestimmt dahinterkommen. Was, wenn sie sich ihm anvertraute? Aber das würde nur dazu führen, dass er mehr Druck auf sie ausübte, Roaring Fork zu verlassen.
»Mein erster Impuls«, fuhr Pendergast fort, beinahe so, als lese er ihre Gedanken, »war, Sie unverzüglich aus der Stadt zu entführen, selbst wenn das bedeutet hätte, eine der Pistenraupen des Polizeichefs zu steuern. Aber ich kenne Sie gut genug, um zu erkennen, dass das zwecklos gewesen wäre.«
»Vielen Dank.«
»Das Zweitbeste ist daher, Sie dazu zu bewegen, richtig über diesen Fall nachzudenken – was er bedeutet, warum Ihr Leben bedroht ist und von welcher Seite. Es handelt sich hier nicht, wie Sie sich ausdrückten, um ein ›lehrhaftes Moment‹.«
Sein Tonfall klang so ernst, dass sie sich schwer getroffen fühlte. Sie schluckte. »Okay. Es tut mir leid. Sie haben meine Aufmerksamkeit.«
»Kehren wir zu der Frage zurück, die Sie gestellt haben und die ich präziser fassen möchte: Was haben die englische Hutmacherei des neunzehnten Jahrhunderts und die Silberraffination des neunzehnten Jahrhunderts gemeinsam?«
Schlagartig war es ihr klar. Es lag tatsächlich auf der Hand. »In beiden Verfahren kommt Quecksilber zum Einsatz.«
»Genau.«
Mit einem Mal ergab sich alles wie von selbst. »Laut der Geschichte hat man Quecksilbernitrat verwendet, um Pelze zur Herstellung von Filz von Hüten weichzumachen. Karottieren nannte man das.«
»Reden Sie weiter.«
»Und Quecksilber wurde auch bei der Verhüttung verwendet, um Silber und Gold aus Eisenerz zu gewinnen.«
»Ausgezeichnet.«
Nun rasten Corries Gedanken. »Also handelte es sich bei der Mörderbande um eine Gruppe von Bergarbeitern, die in der Hütte gearbeitet haben und reihum durch eine Quecksilbervergiftung verrückt geworden sind.«
Pendergast nickte.
»Die Schmelzerei entließ die verrückten Arbeiter und stellte neue ein. Vielleicht haben sich einige der Entlassenen zu einer Bande zusammengeschlossen. Ohne Arbeit, völlig irre, nicht einstellbar, sind sie in die Berge gegangen, wütend und rachsüchtig, wo sie immer verrückter wurden. Und natürlich … mussten sie essen.«
Wieder nickte Pendergast.
»Deshalb haben sie isolierten Bergarbeitern hoch oben bei deren Claims aufgelauert, haben sie getötet und gegessen. Und so wie die Menschfresser-Löwen von Tsavo – und Sir Percival – sind sie auf den Geschmack gekommen.«
Dem folgte eine lange Stille. Was sonst noch?, fragte sich Corrie. Woher kam die gegenwärtige Bedrohung? »Das alles hat sich vor hundertfünfzig Jahren ereignet«, sagte sie schließlich. »Ich verstehe nicht, warum uns das heute betrifft. Warum bin ich eine Gefahr?«
»Das letzte, entscheidende Stück haben Sie noch nicht in das Puzzle eingefügt. Denken Sie an die ›zufälligen Informationen‹, von denen Sie sagten, Sie hätten sie kürzlich aufgedeckt.«
»Geben Sie mir einen Hinweis.«
»Also gut. Wem gehörte die Hütte?«
»Der Familie Stafford.«
»Fahren Sie fort.«
»Aber die Geschichten über die Ausbeutung der Arbeitskräfte und die Verwendung von Quecksilber in der Schmelzerei sind bereits weithin bekannt. Das ist historisch verbürgt. Es wäre töricht von der Familie, heute Schritte zu unternehmen, um das zu vertuschen.«
»Corrie«, Pendergast schüttelte den Kopf, »wo
befand
sich die Schmelzerei?«
»Hm, na ja, irgendwo in der Gegend, wo sich heute The Heights befindet. Ich meine, so ist die Familie doch zu dem ganzen Grund und Boden gekommen, den sie später zu Bauland umgewandelt hat.«
»Und …?«
»Und was? Die Schmelzerei ist längst abgerissen. Sie wurde in den 1890 er Jahren dichtgemacht, die Ruine
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