Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)

Vielleicht war das ein Zeichen. Vielleicht …
    Ein lautes Geräusch, ein lautes
PENG
!,
und dann trat sie auf die Bremse und schrie unwillkürlich auf. Der Wagen kreischte und schlitterte, geriet aber nicht ganz von der Straße ab, sondern kam am Rand zum Stehen.
    »Himmelherrgott!« Corrie packte das Lenkrad. Was war passiert? Etwas war gegen die Windschutzscheibe geprallt und hatte sie in ein undurchsichtiges Netz aus Sprüngen verwandelt.
    Und da sah sie das kleine, kugelrunde Loch in der Mitte.
    Mit einem erneuten Aufschrei bückte sie sich und machte sich ganz klein unter dem Armaturenbrett. Alles war still. Ihre Gedanken rasten. Das war ein Einschussloch. Irgendwer hatte auf sie geschossen. Wollte sie killen.
    Scheiße, Scheiße, Scheiße …
    Sie musste raus aus dem Wagen. Sie atmete tief durch, straffte sich und richtete sich wieder auf und schlug mit der behandschuhten Faust ein Loch in die zersprungene Windschutzscheibe, das so groß war, dass man hindurchsehen konnte. Dann packte sie wieder das Lenkrad und trat aufs Gaspedal. Der Focus schlitterte einmal um die eigene Achse, und sie bekam ihn auch unter Kontrolle, rechnete aber im nächsten Moment mit noch mehr Schüssen. Vor lauter Panik gab sie zu viel Gas; der Wagen geriet auf eine Stelle mit Glatteis, schlitterte noch einmal und steuerte auf die Leitplanke oberhalb der Schlucht zu. Das Auto prallte davon ab, rutschte mit quietschenden Reifen zurück auf die Straße und drehte sich erneut um 180  Grad. Corrie war erschüttert, aber nach einem kurzen Augenblick der Panik ging ihr auf, dass sie unverletzt war.
    »Scheiße!«,
schrie sie wieder. Der Schütze war noch immer da draußen, könnte sogar die Straße herunterkommen, um sie zu verfolgen. Der Focus steckte fest, und die Beifahrerseite war total demoliert, aber er war anscheinend kein Totalschaden. Sie drehte den Zündschlüssel, der Motor sprang an. Sie lenkte den Focus wieder um die eigene Achse, in einer vorsichtigen Dreipunktkehre, und fuhr dann die Straße hinunter. Der Wagen war noch fahrtüchtig, gab aber ein grässliches Geräusch von sich – offenbar scheuerte eine Stoßstange an einem der Reifen.
    Langsam, behutsam, die zitternden Hände am Lenkrad, lenkte sie den Wagen den Berg hinunter in die Stadt und steuerte geradewegs auf die Polizeiwache zu.
     
    Nachdem sie einen Unfallbericht ausgefüllt hatte, führte der Beamte am Empfangstresen sie sofort ins Büro des Polizeichefs. Offenbar war sie mittlerweile eine wichtige Person. Chief Morris saß hinter seinem Schreibtisch, der mit DIN -A 6 -Karteikarten, Fotografien, Bindfäden, Heftzwecken und Klebstoff überladen war. An der Wand hinter ihm hing ein unverständliches Diagramm, das zweifellos mit den Brandstiftungen und Morden zusammenhing.
    Morris sah aus wie eine Leiche auf Urlaub. Seine Wangen hingen ihm wie Fettbeutel im Gesicht, die Augen waren eingesunken, dunkel umrandet, die Haare ungekämmt. Gleichzeitig hatte sein Gesicht einen bisher nicht gekannten gestrengen Ausdruck. Das war wenigstens eine Verbesserung.
    Er nahm die Anzeige entgegen und bedeutete Corrie, sich doch zu setzen. Einige Minuten verstrichen, während er die Anzeige einmal, dann noch einmal las. Und dann legte er sie auf den Tisch. »Gibt es irgendeinen Grund, der Ihnen einfällt, dass jemand unglücklich über Ihre Aktivitäten sein könnte?«
    Darüber musste Corrie, so erschüttert sie war, lachen. »Ja. Ungefähr alle in den Heights. Der Bürgermeister, Kermode. Von Ihnen gar nicht zu reden.«
    Morris rang sich ein mattes Lächeln ab. »Wir werden Ermittlungen starten. Aber … hören Sie, ich hoffe, Sie glauben nicht, dass ich die Sache unter den Teppich kehren will, wenn ich Ihnen sage, dass wir bereits seit Wochen in dem Gebiet nach einem Wilderer fahnden. Er tötet und schlachtet Rehe, zweifellos verkauft er auch das Fleisch. Erst vor einer Woche hat einer seiner ungezielten Schüsse das Fenster eines Hauses durchschlagen. Bei dem, was Ihnen widerfahren ist, könnte es sich also um einen Irrläufer handeln, abgefeuert von dem Mann, als er wilderte. Das Ganze hat sich früh am Morgen ereignet, wenn die Rehe – und unser Wilderer – aktiv sind. Nochmals: Ich behaupte nicht, dass das passiert ist. Ich erwähne es nur als eine Möglichkeit … vor allem, um Sie etwas zu beruhigen.«
    »Vielen Dank«, sagte Corrie.
    Sie erhoben sich von den Stühlen, und Chief Morris streckte ihr die Hand entgegen. »Ich fürchte, ich muss Ihren Wagen als