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Attentage

Attentage

Titel: Attentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartl
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Begleiter ist immer willkommen.“
    Nach einigen Drinks im „Odeon“ und in zwei weiteren Bars lockt sie der DJ im „In de Wildeman“ mit einem ABBA-Medley auf die Tanzfläche. Leconte erweist sich als ganz passabler Tänzer und es stört sie nicht, dass er eine Spur kleiner als sie ist. Bei einem Foxtrott wendet sie ihm ihr Gesicht so geschickt zu, dass sie nachher beide nicht mehr wissen, wer wen zuerst geküsst hat.
    Nun ist die letzte Hemmschwelle gefallen und Lecontes Hände beginnen auf der Tanzfläche, ihren Körper zuerkunden. Heather kompensiert die sexuelle Spannung mit einem gelegentlichen Kichern, das leicht hysterisch klingt. Sie tanzen immer ausgelassener, während der Stress der letzten Tage von ihnen abfällt. Die anderen Tanzenden beachten sie nicht im Geringsten. Man ist an ältere Paare gewohnt, die sich nach einigen Joints kindischer als Teenager benehmen. Leconte sind alle anderen Gäste seit dem dritten Cognac im „Odeon“ völlig gleichgültig. Solange ich es zulasse, haben wir die Kontrolle noch nicht verloren. Heather ist unsicher, ob sie das, was sich entwickelt, wirklich stoppen könnte, wenn sie wollte. Aber warum sollte sie das eigentlich tun? Es ist schwierig genug, mit 45 noch einen vernünftigen Mann zu finden, der nicht verheiratet ist.
    Bis sie das Lloyd Hotel im Hafen erreichen, ist es hell geworden. Als sie gemeinsam in den Lift steigen, drückt Heather den Knopf für den 3. Stock. Lecontes Zimmer ist im 2. Stock, aber er drückt nicht und ist froh, dass sie alleine im Lift sind. Das hat er um 5 Uhr früh auch nicht anders erwartet. „Zu mir oder zu dir“, sagt er wie nebenbei und versucht diese unoriginelle Frage originell klingen zu lassen. Er nimmt die Geilheit in seiner Stimme wie durch einen Nebel wahr und trotz seiner Trunkenheit ist ihm das etwas peinlich. „Eine Lady übernachtet im Hotel niemals in einem fremden Zimmer“, sagt Heather bestimmt, aber etwas undeutlich und drückt dabei ihren rechten Oberschenkel an seinen linken Innenschenkel. Leconte kaschiert seine Erregtheit nicht einmal ansatzweise und stöhnt zufrieden auf. Als sie den Aufzug im 3. Stock verlassen, schickt er den Lift beim Aussteigen noch in den 2. Stock. Der Nachtportier in der Rezeption sieht auf der Anzeigetafel die Position des Lifts und Leconte möchte nicht, dass er weiß, dass sie die Nacht gemeinsam verbringen.
    „Du Gentleman!“, sagt Heather. „Ein Franzose kann niemals ein englischer Gentleman sein“, protestiert Leconte, und kurz besteht die Gefahr, dass die Stimmung kippt. „Charmeur?“, sagt er dann fragend und beide prusten auf dem Flur vor Lachen.
    Heather öffnet ihre Zimmertür mit ihrer Chipkarte und zieht ihn mit einer energischen Bewegung hinein. „Halt jetzt bitte einfach den Mund“, sagt sie, „und lass es uns machen.“ Seltsamerweise klingt das aus ihrem Mund nicht ordinär, sondern wie eine nüchterne Bestandsaufnahme ihrer Bedürfnisse. Leconte hat auch keine Lust mehr zum Reden. Er schließt die Tür von innen mit einem energischen Fußtritt. Es ist ihm egal, ob die Zimmernachbarn dadurch munter werden. Heather liegt bereits rücklings auf dem Bett und streift ihre hochhakigen Schuhe ab.
    Leconte schießen noch einige Gedanken zur Korrektheit und Integrität seines Handelns durch den Kopf. Kurz versucht er die möglichen Konsequenzen einer derartigen Nacht zu analysieren.
    Als er auf Heather blickt, die mit geschlossenen Augen entspannt und erwartungsvoll lächelt, wird ihm wohlig warm. Er hat vergessen, dass es solche Gefühle gibt, und er fühlt sich magnetisch angezogen. Heather ist für ihn das Gesamtkunstwerk einer sinnlichen, witzigen, intelligenten und attraktiven Frau. Der Commissaire ahnt, dass er sich verliebt hat – aber sich dafür vielleicht eines Tages noch verfluchen wird.
    „Worauf wartest du noch“, sagt Heather und räkelt sich. „Auf gar nichts“, sagt Leconte, während er sein Hemd auszieht, „du bist ja schon da.“

MONTAG, 19. MÄRZ, 14.30 UHR | WIEN, FLUGHAFEN
    Abdul bemüht sich, den dunkelhäutigen Mann nicht anzustarren, der eine Langhaarperücke aus weißen Locken trägt und in der Ankunftshalle des Flughafens den ankommenden Passagieren bunte Reklamezettel in die Hand drückt. Er wirbt für Sightseeingtouren auf den Spuren Mozarts und trägt dafür ein dunkelrotes klassisches Kostüm. Abdul fühlt sich schon seit seinem Abflug aus dem Jemen wie in einem Trancezustand. Durch das unverständliche Sprachengewirr und die

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