Attentage
versteckt, sollten geschulte Beamte an Monitoren kontrollieren, ob jemand Metall oder Sprengstoff am Körper trägt. Beim geringsten Verdacht sollte der Gast diskret in einen Raum zur Leibesvisitation gebeten werden.
Jeder Mitarbeiter im Rathaus war bereits genauestens durchsucht worden. Alle Lebensmittel wurden kontrolliert, Beamte mit Sprengstoffhunden hatten vor Veranstaltungsbeginn das gesamte Haus begangen und selbst die Kanaldeckel im Rathaus waren verschweißt worden. Immerhin gibt es in Wien ja das durch den Spionagefilm „Der dritte Mann“ berühmte weitläufige unterirdische Kanalsystem. Auch der Platz und der Park vor dem Rathaus waren für die Veranstaltung gesperrt worden.
Knapp 100 Beamte würden sich ab Veranstaltungsbeginn in Smoking oder dunklem Anzug unter die knapp 1.000 Besucher mischen. Nicht einmal die Organisatoren waren über die große Anzahl der Sicherheitskräfte informiert worden, die mit einem speziellen Armband ausgerüstet jederzeit überall Zugang hatten. Jeder zivile Beamte musste bei der Veranstaltung theoretisch zehn Gäste im Auge behalten. Dazu kam die Überwachung durch die Kameras. In jedem Raum gab es einen Sicherheitsverantwortlichen, der über Funk mit dem Überwachungsraum verbunden war. Aus menschlicher Sicht war ein erfolgreiches Attentat unmöglich. Vor allem musste es der Attentäter erst einmal durch die rigorose und lückenlose Sicherheitskontrolle am Eingang schaffen. Nur die Stars und Ehrengäste wurden von ausgewählten Fahrern in Limousinen direkt in den Innenhof gefahren.
Die Cateringfirma hatte in drei Kleinbussen bereits das Buffet gebracht. Eine Elektrofirma hatte einen defekten Projektor ausgetauscht und ein Musikhaus einen Klavierstimmer gesandt, um den Flügel im Ballsaal nachzustimmen. Der Pianist hatte sich bei den Proben über einige Misstöne beschwert, die offenbar aber nur er hören konnte. Der Bus mit den Torten für das Dessertbuffet wurde noch erwartet.
Weder das verstimmte Klavier noch der defekte Projektor waren vorhersehbar und daher planbar gewesen. Aber vielleicht waren sie manipuliert worden? Deshalb hatten sie die Arbeiter und ihr Werkzeug gründlich unter die Lupe genommen. Für das Buffet des Cateringunternehmens war eine Einheit abkommandiert worden, die dafür die letzten Tage intensiv geschult worden war. Den Bus mit den Torten würde Leconte mit Heather und einigen Beamten selbst durchsuchen. Die Überwachung von Sameer hattensie aufgegeben. Es schien keinerlei Gefahr von ihm auszugehen.
Der Poet hatte gedichtet: „Am 4. April wird den Berühmten in Wien zum Tanz der süße Tod serviert.“ Heather hatte auch noch an die Möglichkeit von Gift statt einer Bombe gedacht, und so wurden alle Lebensmittel auch in diese Richtung untersucht. Und auch das Dessert musste bei Ankunft einen Schnelltest bestehen. Mittlerweile kam Leconte das Attentat immer unwahrscheinlicher vor. Alles lief so überschaubar und geordnet ab. Der rote Teppich beim Haupteingang mit den Fotografen, die schon in Erwartung der Stars dort auf die besten Bilder lauerten. Die ersten Besucher, die bei einem Glas Sekt im Prunksaal entspannt plauderten. Kriminalbeamte im Smoking, die sich unauffällig zwischen den noch vereinzelten Gästen platzierten. Es schien unmöglich, dass hier die Bombe eines Selbstmordattentäters plötzlich Menschenleben auslöschen konnte.
Der Wiener Polizeidirektor, der sich vor den Monitoren zwischen ihn und Heather stellt, scheint seine Gedanken zu erraten. „Man muss jede Bedrohung ernst nehmen, das ist unser Job“, sagt Max Sendling freundlich.
Natürlich wusste nur die österreichische Antiterroreinheit von der konkreten Warnung des Poeten. Alle außer der FISA waren nur über allgemeine Terrordrohungen und erhöhte Sicherheitsvorkehrungen auf Wunsch des Innenministeriums informiert worden. Es war nach wie vor geplant, das Scheitern des Attentats als Zufallstreffer auszugeben, um ihren Informanten nicht zu gefährden.
Fast alle Kripobeamten an den Eingängen und in den Sälen kamen aus europäischen Spezialeinheiten, die zwarebenfalls nicht über die Details informiert worden waren, aber absolut verlässlich bei der Ausführung der Kontrollen waren. Die wenigen Wiener Kripobeamten wurden als „Diplomaten“ eingesetzt, um verärgerte Gäste nach Leibesvisitationen zu beruhigen und jene in ihre Grenzen zu verweisen, die sich unnötig über Kontrollen während des Ballgeschehens beschwerten.
Leconte konnte es ihnen nicht verübeln,
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