Attentage
Stunde in einem Laufhaus verschwunden.“
„Vielleicht ist das einfach nur die perfekte Tarnung“, erwidert Leconte, der es selbst nicht glaubt, obwohl er es glauben will.
„Wozu? Für wen? Er war allein unterwegs und der Nutte war es sicher völlig egal, wer er ist“, entgegnet Purront. „Wenn es für die Attentate wirklich nur das Motiv der religiösen Überzeugung gibt, dann hat Sameer kein Motiv.“
„Merde!“, flucht Leconte. „Wir sind so klug wie am Anfang.“
„So unwissend wie am Anfang“, verbessert ihn Purront.
„Nein“, sagt Heather, „wir wissen nun, dass er es nicht ist, und das ist mehr, als wir zu Beginn wussten.“
SAMSTAG, 31. MÄRZ, 13.20 UHR | WIEN, NASCHMARKT
„Müssen wir uns denn wirklich immer unbedingt in diesem jüdischen Lokal treffen?“, fragt Abdul gereizt Ahmad, als die Kellnerin einen Teller mit Falafel und Humus an ihrem kleinen Holztisch vor dem Lokal vorbeibalanciert und den Gästen am Nebentisch serviert. Abduls Gegenüber ist drahtig, aber klein gewachsen. Mit seinen abstehenden Ohren, der wuchtigen Nase und der Halbglatze mit spärlichen schwarzen Haarbüscheln ist er nicht gerade eine Schönheit. Sein Kontaktmann hat sich beim ersten Treffen als Ahmad vorgestellt. Abdul ist klar, dass dies nicht sein richtiger Name ist, und Ahmad ist klar, dass er das weiß.
„Genau hier vermutet uns doch niemand“, grinst Ahmad und bleckt seine gelbbraunen Zähne, die vermutlich vom jahrelangen Qatkauen zerfressen sind. „Und hier kann man sich auch an den Tischen vor dem Lokal inmitten des Markttreibens ungestört unterhalten. Trotzdem sollten wir mit unseren Worten vorsichtig sein …“
„Mir kommt der Plan unnötig kompliziert vor“, sagt Abdul. „Ich muss am Abend mit meinem Geschenk auf einem Parkplatz auf einen Transporter warten, in dessen Laderaum ich mich verstecke. Dann fahre ich ungefähr eine halbe Stunde mit einem mir unbekannten Bruder durch die Stadt zum Auftrag. Niemand kennt mich von dieser Firma, wenn ich dort ankomme. Was ist, wenn sie mich nicht einlassen?“
„Es ist doch sonst gar niemand von dieser Firma dort. Das Cateringunternehmen wartet dort schon auf den Busund sie kennen den Fahrer. Du bist einfach seine Hilfe, um die zweistöckige Torte hinaufzutragen, und musstest sie im Laderaum während der Fahrt halten. Du wirst gar keine Probleme haben“, sagt Ahmad in einem Ton, mit dem man ein ängstliches kleines Kind beruhigt.
Das ärgert Abdul maßlos und er reagiert trotzig. „Ich verstehe auch nicht, warum dieser Sameer die Sache nicht selbst erledigt, wenn er so problemlos ins Gebäude kommt und die Sprache auch beherrscht. Wozu braucht man mich denn dann überhaupt? Wozu opfere ich mich …“
Ahmads Blick mahnt ihn innezuhalten. Er ist kurz doch lauter geworden, als es der Geräuschpegel erlaubt. Abdul hätte sich viel lieber in Ruhe in seiner Wohnung unterhalten, aber sein Kontaktmann kommt nicht mal in deren Nähe. Beim ersten Treffen hat er Abdul erklärt, dass ein Treffen an belebten Plätzen in der Öffentlichkeit unauffälliger und weniger verdächtig ist als Besprechungen an einsamen Orten. Am Telefon ist Ahmad immer kurz angebunden und spricht nur das Nötigste.
Sie treffen sich nun zum fünften Mal. Zweimal sind sie gemeinsam mit der U-Bahn bis zur Endstation im Süden der Stadt gefahren und einige Minuten zu dem Parkplatz gegangen, auf dem Abdul sich am 4. April mit dem Fahrer treffen soll. Ahmad hat alles im Detail mit ihm besprochen und ihn ermahnt, auf keinen Fall schwarzzufahren, um nicht bei einer Kontrolle aus diesem lächerlichen Grund die Aktion zu gefährden.
Abdul fährt fort: „Und warum kann ich meinen Partner nicht vorher kennenlernen? Ich weiß ja nicht einmal, ob es der richtige Mann ist, der dort hält!“
Ahmad hat mit dieser Frage gerechnet, aber er überlegt dennoch demonstrativ, bevor er antwortet. „Sameer istkeiner von uns. Er weiß nicht, was wir planen. Wir geben ihm viel Geld, damit er dich mitnimmt.“
„Aber er muss doch ahnen, was wir vorhaben! Warum sollte sich ein Jemenit in seinem Lieferwagen verstecken und sich dann dort einschleusen lassen?“
„Er weiß auch nicht, dass du aus dem Jemen kommst! Er denkt, dass ein Amerikaner auf dem Parkplatz auf ihn wartet!“
Jetzt ist Abdul sprachlos.
„Und warum sollte er mich für einen Amerikaner halten? Und warum sollte sich ein Amerikaner heimlich auf den Filmball bringen lassen?“
„Ich habe ihm gesagt, dass deine Familie aus dem
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