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Attentage

Attentage

Titel: Attentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartl
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Umklammerung und sticht seitlich in den Hals des Blonden, der sich vor Anstrengung keuchend über ihn gebeugt hat, um ihn auf dem Boden zu halten. Der Mann greift sich mit einem leicht gurgelnden Laut an die Kehle und richtet sich dabei auf. Damit ist das Schussfeld für Heather und Purront frei.
    Es klingt wie der Knall eines einzigen Schusses mit unmittelbarem Echo, als beide feuern. Als Hani getroffen wird, löst sich sein Griff und die Spritze mit der Zündflüssigkeit gleitet aus seiner Hand.

FREITAG, 6. APRIL, 7.40 UHR | LONDON, DOCKLANDS, CANARY WHARF
    „Ist es wirklich wichtig, zu wissen, welcher der beiden Schüsse zuerst und tödlich war?“, fragt Leconte etwas verwundert in die Runde. „Vielleicht sollten wir die Sache einfach auf sich beruhen lassen!“
    „Es ist egal, weil es keinen anderen Weg gab, aber ich will es trotzdem wissen“, sagt Heather, die bis jetzt geschwiegen hat. Purront zeigt keine Reaktion, sondern starrt abwesend aus einem Fenster der Büroräume der britischen FISA-Gruppe auf den alles überragenden Canada Tower, der ihn auch ohne Zwillingsturm an die Twin Towers erinnert.
    „War das jetzt ein Erfolg oder nicht?“, fragt Jarrko.
    „Wie würdest du es nennen, wenn man ein Attentat verhindert und niemand getötet wird außer dem Attentäter?“, fragt Erik den Finnen.
    „Der Beamte, der ihn überwältigt hat, wird nur eine kleine Narbe am Hals als unangenehme Erinnerung behalten“, sagt Heather, obwohl niemand danach gefragt hatte.
    „Dann gratuliere ich“, sagt Jarrko, darum bemüht, nicht zu sarkastisch zu wirken.
    „Du bist ein …“, sagt Leconte, aber Heather unterbricht ihn rasch. „Wir sind alle gereizt. Lassen wir das, bitte.“
    „Wie geht es weiter?“, fragt Matthias Seeger.
    „Ich nehme an, die Briten werden mit deutscher Gründlichkeit die Identität und das Umfeld des Attentäters durchleuchten. Wir bekommen einen ausführlichen Bericht undmachen alle unsere Arbeit zu Hause weiter, bis sich der Poet wieder meldet“, sagt Leconte. Er scheint sich von seinem Versagen in Wien etwas erholt zu haben.
    Heather nickt zustimmend. Papierrascheln und das Einschnappen der Schlösser der Aktenkoffer sind die einzigen Geräusche, bis einer nach dem anderen mit kurzem Gruß den Raum verlässt. Nur Heather, Leconte und Purront bleiben sitzen. „Wir müssen noch reden“, sagt Heather zu Leconte. „Ich weiß“, antwortet dieser.
    Purront braucht eine Minute, bis er begreift, dass er unerwünscht ist, und die Tür von außen hinter sich schließt. Kurz darauf hört man ihn auf dem hallenden Gang telefonieren.
    „Es war ein schwerer Fehler mit uns beiden“, sagt Heather. „Die Professionalität unserer Arbeit hat darunter gelitten. Man kann sich nicht wie ein verliebter Teenager benehmen, während man Terroristen jagt.“
    „Sentimentale Gefühle verhindern, dass man sachlich und analytisch vorgeht, und sind damit ein Vorteil für den Täter“, erwidert Leconte. Er hat diesen Satz schon sehr oft zu seinen Mitarbeitern gesagt. Diesmal erfüllt der Satz ihn mit tiefer Traurigkeit und kommt ihm leer und nichtssagend vor. Dunkel ahnt er, dass Heather ganz andere Worte von ihm erwartet hat. Seine Antwort kam automatisch. Wie eine gespeicherte Nachricht, die er aus seinem Gehirn abruft, die aber nichts, gar nichts, mit ihm selbst zu tun hat. Heather blickt wie versteinert aus der hofseitigen Fensterfront, obwohl nichts zu sehen ist außer einigen Feuerleitern und Kaminen unter dem grauen Himmel Londons.
    Leconte versteht, dass es für ihn jetzt nichts mehr zu sagen gibt. Er steht abrupt auf, denn er spürt, dass seine Augen feucht werden, und er will unter keinen Umständen,dass Heather das bemerkt. Als er rasch auf den Gang tritt, stößt er fast mit dem telefonierenden Purront zusammen, dessen Augen strahlen.
    „Noch heute Abend, Chérie“, flötet er gerade, „in einigen Stunden bin ich bei dir.“ Es entgeht ihm völlig, dass Leconte bei seinen Worten wie bei einem schmerzhaften Stich kurz zusammenzuckt.

FREITAG, 6. APRIL, 23.10 UHR | PARIS, PURRONTS UND NICOLES WOHNUNG
    Nicole liegt auf dem Rücken und räkelt sich katzenähnlich, wobei sie so etwas wie ein leises Schnurren von sich gibt. Eine kleine Wölbung ihres Bauchs ist bereits zu erkennen. Purront liegt in Seitenlage neben ihr und beobachtet sie zufrieden lächelnd. Diesmal haben sie sich ausführlich Zeit gelassen und Nicole war leidenschaftlich wie in den ersten Wochen ihres Kennenlernens. „War ich

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