Auch das Paradies wirft Schatten
keine ›Person‹, ich warne dich. Noch genießt sie meinen Schutz …«
»Nicht mehr lange. Ich kann dir nämlich mit Beweisen aufwarten, mit Zeugen …«
»Mit welchen Zeugen?«
»Mit Kellnern aus der Ohio-Bar. Sie kennen dich.«
»Aber ich kenne die nicht! Ich verkehre nicht in solchen Löchern, dazu ist mir meine Zeit zu schade!«
Auf Siegurds Gesicht breitete sich Hohn aus. »Fräulein Klett verkehrt in solchen Löchern …«
»Etwa zusammen mit dir?«
»Erraten.«
»Und?«
»Und führt sich dementsprechend auf.«
Pedro ging zum Fenster, blickte ein Weilchen hinaus, drehte sich dann um zu Siegurd und sagte gefährlich ruhig: »Ich will jetzt wissen, was passiert ist …«
»Frag die Kellner.«
»Ich will es von dir wissen.«
»Sie hat mir die Kleidung halb vom Leib gerissen.«
Pedro wurde noch blasser. »Können das die Kellner bezeugen?«
»Meiner Ansicht nach ja. Es ist aber möglich, daß ihre Ansichten darüber auseinandergehen. Das ist ja immer so: Dem einen genügt ein Knopf, der aufgeknöpft wird, der andere verlangt, daß die ganze Hose gefallen ist.«
»Konkret: Was können die Kellner bezeugen?«
»Daß sie mich geküßt hat.«
»Geküßt?«
»Und wie! Da blieb kein Auge trocken! Ich hatte alle Hände voll zu tun, mich ihrer zu erwehren!«
Seltsamerweise schien Pedro daraufhin etwas erleichtert. Er ging zweimal im Zimmer auf und ab und blieb plötzlich vor Siegurd stehen. »War sie betrunken, als sie dich küßte?«
»Wie … wieso?« stieß Siegurd hervor. Die Frage kam ihm überraschend. Er hatte nicht mit ihr gerechnet.
»Weil es mich interessiert, was du ihr eingeflößt hast.«
»Eingeflößt? Das war nicht nötig, frag die Kellner.«
»Was hattet ihr getrunken?«
»Zusammen eine Flasche Burgunder.«
»Und?«
»Und jeder einen Martini.«
»Und?«
»Und vier Manhattan.«
»Zusammen oder jeder?«
»Jeder, aber was soll das, worauf willst du hinaus?« erregte sich Siegurd, dem dieses Verhör verständlicherweise auf die Nerven ging.
»Ich möchte sehen, wessen du fähig bist, um dir eine Dame gefügig zu machen.«
Siegurd verlor die Beherrschung.
»Einer Dame?!« schrie er. »Sag ›einer Dirne‹, dann stimmt's!«
Das war das zweitemal, daß dem jungen Baron von Aarfeld an diesem Tage ins Gesicht geschlagen wurde. Es war aber keine schwache Ohrfeige mehr, von mehr oder minder zarter Frauenhand, sondern ein wuchtiger Hieb, der ihn gegen den Schrank schleuderte, an den er sich anklammern mußte, um nicht umzusinken. Mit lodernden Augen stand Pedro vor ihm, einen Kopf größer, ein Riese, der sich der Kraft seiner Muskeln wohl bewußt war und ankündigte, daß er sich nicht scheuen würde, beim geringsten noch einmal zuzuschlagen.
»Noch ein solches Wort, und dich holt der Teufel, das sage ich dir!«
Siegurd war zwar benommen, aber soviel konnte er erkennen, daß seine Gesundheit, soweit sie ohnehin nicht schon geschädigt war, an einem seidenen Faden hing. Er wich vor Pedro zurück, retirierte zur Tür, während er sich mit einem rasch hervorgezogenen seidenen Taschentuch das Blut von den aufgesprungenen Lippen wischte. Auf der Schwelle blieb er noch einmal stehen und sagte: »Das wirst du mir büßen! Mich prügelt man nicht wie einen Hund, laß dir nur Zeit!«
»Hau ab! Am besten verschwindest du ganz vom Gut! Hier bist du von jeher zu nichts nütze!«
Mit lautem Krach schlug Siegurd die schwere Eichentür hinter sich zu, und Pedro sank, nachdem er einen Blick auf die Zigarre geworfen und gesehen hatte, daß sie ausgegangen war, in seinen Ledersessel. Er wischte sich über die Stirn, als wollte er in seinem Kopf das, was sich hier ereignet hatte, auslöschen. So saß er eine Viertelstunde lang, bis er des Aufruhrs in seinem Inneren langsam Herr wurde.
Lulatsch klopfte an die Tür und meldete konsterniert, daß der junge Herr Baron unter Mitnahme des größeren der beiden Wagen das Gut verlassen habe. »Ich fühle mich verpflichtet«, fügte er hinzu, »Ihnen mitzuteilen, was er gesagt hat, Herr Baron …«
»Was denn?«
»Das ganze Gut gehöre in die Luft gesprengt, mit Ihnen an der Spitze, Herr Baron. Er könne nur jedem raten, möglichst bald von hier zu verschwinden.«
»Lulatsch«, sagte Pedro bedrückt, »du weißt, was sich für einen guten Diener gehört …«
»Ich hoffe es.«
»Mein Bruder ist verrückt. Wir hatten eine Auseinandersetzung. Er redet dummes Zeug, wenn er sich aufregt. Manchmal läßt es sich nicht vermeiden, daß ein Diener davon
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