Auch das Paradies wirft Schatten
etwas mitbekommt. Und dann zeigt sich der Unterschied zwischen einem guten Diener und einem schlechten. Ein schlechter Diener quatscht herum, ein guter kann sich schon eine Minute später nicht mehr an das geringste erinnern. Wieviel Uhr haben wir jetzt, Lulatsch?«
»Eine Minute später, Herr Baron.«
»Danke.«
»Keine Ursache, Herr Baron.«
Pedro erhob sich.
»Ich fahre noch in die Stadt. Hol mir bitte meinen Wagen aus der Garage.«
»Den Ihren?«
»Ja, natürlich.«
»Herr Baron, ich sagte Ihnen doch, daß der junge Herr Baron mit dem großen Wagen …«
»Wann sagtest du mir das?«
»Soeben.«
Lulatsch wunderte sich. Die müssen ja ganz schön gestritten haben, dachte er. Durcheinander sind sie jedenfalls beide.
»Und was ist mit dem Opel, Lulatsch?«
»Der steht zur Verfügung, Herr Baron.«
»Dann bring mir den.«
»Sehr wohl, Herr Baron. Sind Sie notfalls zu erreichen? Wollen Sie mir eine Adresse hinterlassen?«
»Nein.«
Lulatsch nickte und machte kehrt, um sich zu entfernen.
»Oder doch, Lulatsch: Ich bin bei Dr. Faber.«
Pedro von Aarfeld brauste durch die Nacht. Seine starken Scheinwerfer fraßen einen grellen langen Streifen aus der Dunkelheit vor ihm und ließen die Alleebäume fast weiß erscheinen. Mit der linken Hand steuerte er den Wagen, in der rechten hielt er eine Zigarette, die zitterte. Dies zeigte den Grad seiner inneren Erregung und Spannung an.
Ich muß das alles heute abend noch klären, dachte er. Ich muß Dr. Faber sprechen, auch Marianne. Jahre hatte ich Zeit, mich um meine Verhältnisse zu kümmern … und habe mich um nichts gekümmert. Nur um meine Malerei, aber nicht um die Erhaltung meines Erbes. Und jetzt drängt sich alles praktisch auf Stunden zusammen. Es bleibt mir jedoch nichts anderes übrig, ich muß die Entscheidung fällen.
Übers Lenkrad gebeugt, starrte er auf die helle, von den Scheinwerfern der Dunkelheit entrissene Decke der nächtlichen Straße vor sich.
Marianne, dachte er, und es wurde ihm plötzlich heiß ums Herz und in der Kehle. Marianne – hast du deshalb nein gesagt? Ich will es wissen … heute noch … denn ich liebe dich.
Dr. Edmund Faber saß noch in seinem Arbeitszimmer, als unten vor dem Haus die Bremsen eines Wagens quietschten und kurz darauf bei ihm die Klingel ertönte.
»Nanu?« fragte er sich selbst. »Wer kann denn das noch sein?«
Kopfschüttelnd erhob er sich, stieg die Treppe hinunter und knipste die Außenbeleuchtung über der Haustür an. Dann öffnete er ein vergittertes Fensterchen in der dicken Tür und spähte hinaus. »Sie?« rief er überrascht, als er das Gesicht des Barons Pedro von Aarfeld entdeckte, der mit nervösem Ausdruck draußen stand. Rasch schloß er die Tür auf und bat Pedro herein.
»Was ist denn los bei Ihnen, wo brennt's?«
Der Baron schwieg. Er kannte sich im Haus aus und lief stumm hinauf ins Arbeitszimmer, in dessen Fenster das Licht gebrannt und dem Baron schon draußen gezeigt hatte, wo der Hausherr zu dieser Stunde sich noch aufhielt. Oben ließ sich Pedro in einen Sessel fallen, erst dann sagte er zu Dr. Faber, der ihm kopfschüttelnd gefolgt war: »Ich hätte fast meinen Bruder erschlagen.«
»Um Gottes willen! Wieso?«
Pedro erstattete Bericht.
»Und jetzt«, schloß er, »stößt er wilde Drohungen aus, mit denen er mich allerdings keineswegs erschrecken kann. Nur fürchte ich, daß er vielleicht auch noch Fräulein Klett in die Sache mit hineinzieht, wissen Sie.«
»Dazu gehören zwei: einer, der zieht, und eine, die sich ziehen läßt.«
»Und letzteres glauben Sie, wenn ich Sie recht verstehe, von Fräulein Klett nicht?«
»Nein.«
Pedro seufzte. »Da bin ich nicht so ganz sicher.«
Dr. Faber blickte ihn erstaunt an. »Warum nicht?«
Pedro seufzte ein zweites Mal und antwortete: »Ich muß zumindest auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß Fräulein Klett auf der Seite meines Bruders steht …«
»Ach was!«
»Doktor, ich muß Sie da in etwas einweihen, das Sie bis jetzt noch nicht wissen. Fräulein Klett hat mich enttäuscht …«
»Wieso?«
»Sie empfängt meinen Bruder in ihrer Wohnung …«
»›Empfängt‹, sagen Sie? Das glaube ich nicht so ganz. Da müßte ich erst einmal mit ihr selbst reden.«
»Auf jeden Fall war sie mit ihm in der Ohio-Bar.«
»Das weiß ich.«
»Sie wissen das?« stieß Pedro überrascht hervor. »Von wem?«
»Von ihr selbst.«
»Von Marianne?«
»Ja, sie hat es mir gesagt, schon am nächsten Tag.«
»Alles wird sie Ihnen
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