Auch dein Tod ändert nichts (German Edition)
dann mal weg«, sagt er. »Bis später.«
Er geht, ohne dass jemand es richtig bemerkt. Er kann es nicht ausstehen, wenn wir uns so streiten wie jetzt. Aber wer mag so was schon? Es passiert nicht allzu oft, und immer ist es wegen Rob. Martha hat recht. Er braucht gar nicht dabei zu sein – er kann Streitereien per Fernbedienung zum Ausbruch bringen.
»Er hat seine Probleme, Martha, das weißt du doch«, sagt Mum. »Er ist schwer verwundet worden. Es braucht lange Zeit, um da drüber wegzukommen. Er leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung.«
»Das ist doch Blödsinn. Es ist nur eine Ausrede dafür, das zu machen, was er will, und ein totales Arschloch zu sein. Niemand hat ihn gebeten, Soldat zu werden. Niemand hat die Army gebeten, in den Irak und nach Afghanistan zu gehen. Er ist Soldat geworden, weil er es gewollt hat. Er mochte es wirklich, Menschen zu töten. Das hat er mir selbst gesagt.«
»Du tust so, als ob er ein Monster wäre.« Mum wird aggressiv. »Das kann ich nicht dulden.«
»Er hat das so auch nicht gesagt«, stelle ich klar. »Er hat gesagt, dass er gerne Scharfschütze ist.«
»Und was machen Scharfschützen? Sie erschießen Menschen!«
»Nur die Bösen.«
»Wir alle wissen doch, dass das nicht so ganz stimmt.« Marthas Augen blitzen trotzig auf, doch sie weiß, dass sie zu weit gegangen ist.
Es wird still in der Küche. Bei dem allgemeinen Schweigen kann man den Wasserhahn tropfen hören. Ganz am Anfang, als Rob wieder zu Hause war, wachte er oft schluchzend auf, und Mum ging zu ihm. Er erzählte ihr Sachen, die er getan hatte, aber nicht hätte tun sollen. Einmal hörte Martha zufällig mit. Das merkte sie sich, um es später gegen ihn zu verwenden.
»Darüber sprechen wir nicht, Martha.« Mum redet so leise, dass es kaum mehr als ein Flüstern ist. »Niemals. Verstehst du mich?«
Martha nickt. Ihr Gesicht ist immer noch rot vor Wut, aber sie sagt nichts. Sie beißt sich auf die Lippe und schaut schnell von mir weg, um die Tränen zu verbergen, die ihr in die Augen steigen. Sosehr sie auch versucht hart zu bleiben, sie streitet nicht gern mit Mum. Auch Mum kann es nicht ertragen. Ich flitze nach oben, um unter die Dusche zu springen. Ich bin immer noch in T-Shirt und Boxershorts. Wenn sie sich jetzt gleich in den Armen liegen und weinen und sich gegenseitig wie kleine Mädchen das Herz ausschütten, möchte ich nicht dabei sein.
11
Ich fahre mit dem Rad hin. Alle Vorhänge sind zugezogen. Normalerweise ist er ein Frühaufsteher, doch nach gestern Abend bin ich mir nicht so sicher, ob er nicht noch im Bett liegt. Die Tür ist nicht eingeklinkt. Er musste gestern Abend darauf vergessen haben. Also gehe ich einfach rein und in die Küche, um die Sachen abzuladen. Da sitzt er in Boxershorts, den Laptop offen vor sich auf dem Küchentisch. Ein Auge ist geschlossen, das Lid rot und entzündet. Die Haut darunter violett bis schwarz schattiert. Die Nase ist geschwollen, über dem Nasenrücken verdickt, und die Lippe aufgeplatzt und verquollen. Die Knöchel völlig verschorft. Auf beiden Seiten des Oberkörpers hat er Blutergüsse, so groß wie eine Handspanne. Blaugrüne runde Flächen, in der Mitte blaurot, wo die Stiefel voll getroffen haben.
»Du hast Glück gehabt, dass die Rippen nicht gebrochen sind.« Ich lege die Fertiggerichtpackungen auf den Tisch. Der Laptop zeigt jetzt den von der
Sun
runtergeladenen Bildschirmschoner, ein vollbusiges, nicht sehr bekleidetes Mädchen. Wahrscheinlich war er auf einer Pornoseite. Doch der Schirm zeigt nocheinmal kurz die Seite, auf der er ist. Er hat keine Pornos angesehen, sondern Schusswaffen.
»Magst du dir das mal anschauen?« Er tippt mit der Fingerspitze auf das Touchpad. »Die Barrett M 107, Kaliber 50. Das zurzeit leistungsfähigste Scharfschützengewehr. Die Kugeln sind gut sieben Zentimeter lang.« Er zeigt es mit Daumen und Zeigefinger. »So dick wie dein Schwanz, kleiner Bruder. Das ist noch auf anderthalb Meilen genau, vielleicht sogar auf zwei. Durchschlägt eine Panzerung aus Beton. Wenn du von der getroffen wirst, stehst du nicht mehr auf.«
Er schließt die Seite und der Bildschirmschoner erscheint wieder.
»Wie geht’s deiner Lippe?«
»Ach, das ist doch nichts.« Er spricht mit einem Lispeln aus dem linken Mundwinkel. »Bin wohl von einem Linkshänder getroffen worden. Tut nicht weh. Nicht besonders.« Er grinst schief und sein Lachen endet schnell in einem Zusammenzucken. »Das reicht jetzt.« Er langt
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