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Auch Du stirbst einsamer Wolf

Titel: Auch Du stirbst einsamer Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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wenn er Schwierigkeiten hatte, kam er aus ihnen heraus. Ich hatte noch nie erlebt, daß er einmal bei einer Sache, die wirklich schwierig und aussichtslos war, aufgegeben hatte. Er überlegte und probierte solange, bis er eine Lösung gefunden hatte und sie für ihn richtig erschien.
    In einem günstigen Moment stellte ich ihm seinen Whisky hin und sagte:
    »Hier, ich habe dir etwas zu trinken gebracht.«
     
    »Ich habe dich schon lange bemerkt und auch gesehen, wie du an den Tisch gekommen bist.«
    Ich war überrascht, denn ich war davon überzeugt, daß er mich nicht bemerkt hatte. Aber ich hatte mich wieder einmal getäuscht. Nun wußte ich auch, daß er kein süchtiger Spieler war, denn wenn er einer gewesen wäre, dann hätte er mich bestimmt nicht bemerkt. Ich wollte Salem fragen, wie er es angestellt hatte, daß aus den paar Jetons, die er gehabt hatte, eine ganze Handvoll wurde. Aber das unterließ ich, denn einige Spieler schauten mich schief an, da ich nur am Tisch stand und mit meinem Gerede das Spiel störte. Auf einmal erinnerte ich mich an meine Jetons, die ich in der Tasche hatte. Ich griff in die Jackentasche, holte sie heraus, schaute sie einen kurzen Augenblick an, warf einen Blick auf den Spieltisch und legte die Jetons auf die Achtzehn, da dies mein Alter war. Dann sagte ich zu Salem:
    »Wenn ich etwas gewinnen sollte, was ich aber nicht glaube, dann nimm es für mich mit.«
    »Okay, mache ich. Du bist mit fünfzig Prozent am ganzen Geschäft beteiligt.«
    Das störte anscheinend schon wieder, denn einige Leute schauten mich und Salem dumm von der Seite an. Ich machte mich auf den Weg zur Bar, denn ich wußte, daß das Geld, das auf dem Tisch lag, hoffnungslos verloren war. Ich brauchte also nicht zu warten, bis es der Croupier an sich heranzog. Als ich in der Bar war, setzte ich mich zu einem Mädchen, das ganz alleine an der Theke saß und mit einem stieren Blick auf ihr Glas schaute. Sie war anscheinend traurig, denn nur wenn man etwas auf dem Herzen hatte, saß man so irgendwo herum.
    Der Barkeeper kam zu mir und wollte wissen, was ich trinken wollte. Da ich Lust auf einen schönen, kalten Martini hatte, bestellte ich mir gleich einen doppelten. Das Mädchen schaute kurz auf, um zu sehen, wer sich neben sie gesetzt hatte. Ich wollte sie fragen, was sie bedrücke, aber ich ließ es bleiben, denn ich wollte an diesem Abend nicht den Seelsorger spielen.
    Probleme hatte ich selber genug, und so war es nicht nötig, daß ich mich mit anderen Leuten auseinandersetzte. Dann kam mein Martini, und ich widmete mich diesem, was mir sinnvoller erschien als alles andere, was sich im Moment um mich herum abspielte.
    Mir fiel nicht auf, daß ich nun genauso wie das Mädchen neben mir auf mein Glas schaute und dasselbe traurige Gesicht machte. Auf einmal sprach mich das Mädchen an:
    »Sie scheinen auch nicht gerade glücklich zu sein.«
    »Warum denn?«
    »Na, Sie schauen so traurig aus.«
    »Das kann nicht sein, denn ich bin nicht traurig.«
    »Aber dafür ich, und das langt.«
    »Wissen Sie was? Wir sagen lieber ›Du‹ zueinander, denn dieses dämliche ›Sie‹ kann ich nicht hören.«
    »Ja, das können wir machen, denn ich mag es auch nicht besonders.«
    »Also, ich heiße Fritz. Und wie heißt du?«
    »Nathalie.«
    »Das ist ein schöner Name, der gefällt mir.«
    Das hörte sich zwar schwachsinnig an, aber was soll man anderes sagen.
    »Ja, mir gefällt er auch. Aber du bist kein Franzose.«
    »Nein, ich bin Deutscher, aber lebe in Frankreich.«
    »Das hab ich mir schon gedacht, daß du Deutscher bist. Das sieht man dir richtig an.«
    »Wieso sieht man es mir an?«
    »Du bist groß, blond, blauäugig und hast einen Akzent, wie ihn nur die Deutschen haben, wenn sie französisch sprechen.«
    Komisch, aber ihre schlechte Laune schien wie weggeblasen, denn ihr Gesicht war freundlich, und sie lächelte sogar ein wenig, wenn ich mich nicht täuschte. Ich mußte irgendwie etwas an mir haben, was die Leute aufmunterte, denn mir ging es immer so, wenn ich mit jemandem sprach, der schlecht gelaunt war, daß er nach ein paar Worten wieder lachte oder seine Sorgen nicht mehr so ernst nahm. Vielleicht lag es daran, daß ich jeden duzte, als würde ich ihn schon lange kennen.
    Aber das ist meiner Meinung nach normal. Später gewöhnte ich es mir ab, da es manche Leute als eine Beleidigung ansahen, wenn man sie einfach dutzte. Für mich sind alle Menschen nur Menschen, auch wenn manche meinen, daß sie etwas

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