Auch keine Tränen aus Kristall
Waben-Behörden sehen diese Beziehung natürlich nicht gern. Offiziell gibt es solche Individuen in der wunderbaren Hauptstadt Ciccikalk nicht.« Pfeifendes Gelächter aus erfahrener Kehle. »Mein Junge, das Universum ist voll von Dingen, die es eigentlich gar nicht geben darf, die uns aber beständig dadurch verwirren, dass es sie doch gibt. Orte im Weltraum, wo die Realität verschwindet. Sonnen, die nicht umeinander kreisen, sondern um Dutzende, Nullraum, wo Dinge nie zu klein sind, um zu existieren, und plötzlich Wirklichkeit werden. Straßenräuber, Diebe - alles Dinge, an die man nur schwer glaubt, und alle Gegenstand des poetischen Diskurses. Nun«, meinte er und ließ sich auf dem Sattel Ryo gegenüber nieder, »da ich Sie hierhergeschleppt und für Sie gesorgt habe, können Sie wenigstens ehrlich zu mir sein. Wenn ich Sie an die Dienstleister ausliefern wollte, hätte ich das schon früher tun können, mit sehr viel weniger Gefahr für mich, und es hätte mich außerdem viel weniger gekostet.«
Und so erzählte es ihm Ryo. Die ganze Geschichte strömte aus ihm heraus, veranlasst durch sein gebrochenes Selbstvertrauen. Als Ryo fertig war, überlegte Wuu einige Minuten lang. Dann führte er Ryo wortlos aus dem Esszimmer zurück in die Schlafkammer. Durch eine breite Acrylscheibe bot sich der Blick auf den Hügel. Die Sonne war gerade hinter dem Horizont versunken; Regenwolken stiegen auf, und ihre rosafarbenen Leiber leuchteten so hell wie in Facetten geschliffene Kunzite.
»Fremde Ungeheuer, hm?« Wuu wandte sich vom Fenster ab und sah Ryo an. »Für mich klingt das alles ziemlich windig.« Ryo sagte nichts. »Aber offenbar ist es ein Wind mit genügend Kraft, um Sie zu veranlassen, Ihre Vorgefährtin zu verlassen, Ihre Familie, Ihren Clan und Ihre Wabe, um in eine Stadt wie Ciccikalk, zu reisen. Für manche, denke ich, kann so was zur Besessenheit werden.«
»Das ist nicht irgendwas«, sagte Ryo ärgerlich. »Das ist Teil eines Traumes.«
»Ah, ja.« Wuus Stimme klang amüsiert. »Man überschätzt Träume gern. Trotzdem kennzeichnen Ihre Beharrlichkeit und Ihre natürliche Intelligenz Sie als etwas mehr als einen gewöhnlichen Fanatiker. Vielleicht sind Sie da auf etwas gestoßen, was sich weiter zu verfolgen lohnt. Jedenfalls sollte es Spaß machen. Was meinen Sie, wenn wir beide, Sie und ich, nach Hivehom gehen und sehen, ob wir nicht mehr herausfinden können?«
Ryo hätte nicht überraschter sein können, wenn Fal plötzlich in den Raum gerannt wäre, um sich aus ganzem Herzen in die Reise zu stürzen. Fal - er stellte fest, dass er häufig an sie dachte. Aber dann drängte sich immer wieder der Traum in seine Gedanken und schob alle anderen Gedanken weg, drängte ihn, blieb unerbittlich in seinen Forderungen, unnachgiebig in dem geistigen Druck, den er auf ihn ausübte.
»Sind Sie sicher ... Wissen Sie, worauf wir uns da einlassen, falls sich herausstellen sollte, dass mein Verdacht Gründe hat, Sir? Das könnte gefährlich sein.«
»Das will ich hoffen! Sonst würde es doch keinen Spaß machen. Wenn es keinen Spaß und keine Gefahren gäbe, dann wäre keine Poesie daran. Und wenn keine Poesie daran wäre, dann gäbe es für mich keinen Grund, mitzugehen. Oder?«
Ryo wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
»Schauen Sie, dort draußen!« Der Eint drehte sich um und deutete auf das Fenster zum Hügel, das einen Blick über das ganze Ciccital bot.
Ganz links ragten die silbernen Rohre auf, die die gesäuberten Emissionen mächtiger Fabrikkomplexe ausspien. Zur Rechten waren die Einzugsschächte, die den Millionen in der Tiefe Frischluft lieferten. In der Ferne, etwas links von der Mitte, stieg ein heller Punkt zu den Wolken auf, und zwar so schnell und so steil, dass es sich unmöglich um ein Flugzeug handeln konnte.
»Ja, das ist ein Shuttle. Dort liegt der Hafen.« Wuu stand neben Ryo und blickte dem hochsteigenden Lichtpunkt nach. »Keine Ahnung, wo die Reise hingeht. Nach Hivehom vielleicht. Oder nach Amropolous oder zu einer anderen Welt. Wenn Sie einverstanden sind, könnten wir bald auf einem solchen Schiff sein.«
Ryo sagte nichts, sondern starrte nur auf den fernen Reflex, bis er in der Wolkenschicht verschwand. Als er nicht mehr zu sehen war, drehte Ryo sich um und starrte seinen Wohltäter an. Er wagte kaum zu glauben, was er da gehört hatte.
»Das ist nicht möglich. Sie könnten der Geschichte bis zu ihrem Ende folgen, zurückkehren und mir davon erzählen. Ich kann
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