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Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Titel: Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sah sich genau um.
    Unmittelbar unter den Fenstern befand sich ein Grasstreifen, der parallel zum Haus verlief. Vor dem Rasenstreifen lag eine breite, mit Blumen bepflanzte Einfassung. Die Herbstastern boten immer noch einen großartigen Anblick. Und vor der Einfassung verlief der Plattenweg, auf dem Poirot jetzt stand. Von dem Grasstreifen hinter der Einfassung führte ein mit Gras bewachsener Weg zur Terrasse. Poirot betrachtete ihn aufmerksam und schüttelte den Kopf. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit den Einfassungen auf beiden Seiten des Grasstreifens zu.
    Ganz langsam nickte er. Auf der rechten Einfassung waren in dem feuchten Erdboden deutlich Fußabdrücke zu erkennen. Als er mit gerunzelter Stirn auf sie hinunterschaute, traf ein Geräusch seine Ohren, und sofort hob er den Kopf. Über ihm war ein Fenster aufgestoßen worden. Er sah einen Kopf mit zerzausten roten Haaren. Umgeben von einem rotgoldenen Schimmer, erkannte er das intelligente Gesicht Susan Cardwells.
    »Was, um Himmels willen, machen Sie denn um diese Zeit da unten, Monsieur Poirot? Sind Sie auf Spurensuche?«
    Poirot verneigte sich mit äußerster Korrektheit.
    »Guten Morgen, Mademoiselle. Ja, es ist, wie Sie sagen. Sie sehen im Augenblick einen Detektiv – einen großen Detektiv, möchte ich beinahe sagen – bei der Aufklärung eines Falles.«
    Diese Bemerkung war ein wenig allzu deutlich. Susan legte den Kopf auf die Seite.
    »Das muß ich unbedingt in meinen Memoiren erwähnen«, bemerkte sie. »Soll ich hinunterkommen und Ihnen helfen?«
    »Ich würde enchantiert sein.«
    »Zuerst habe ich Sie vorhin für einen Einbrecher gehalten. Wie sind Sie hinausgekommen?«
    »Durch das Fenster im Wohnzimmer.«
    »Warten Sie eine Minute – ich bin sofort unten.«
    Und sie hielt Wort. Allem Anschein nach hatte Poirot sich inzwischen nicht vom Fleck gerührt.
    »Sie sind schon sehr früh aufgewacht, Mademoiselle?«
    »Ich habe auch nicht richtig schlafen können. Und ich fühlte mich so grenzenlos elend, wie man sich um fünf Uhr morgens immer fühlt.«
    »Aber ganz so früh ist es doch nicht mehr!«
    »Aber man hat das Gefühl! Also, mein Super-Fährtenleser, was suchen wir?«
    »Sehen Sie genau hin, Mademoiselle – Fußabdrücke.«
    »Tatsächlich.«
    »Und zwar vier«, fuhr Poirot fort. »Passen Sie auf, ich werde sie Ihnen genau zeigen. Zwei führen zum Fenster hin, zwei kommen vom Fenster her.«
    »Und zu wem gehören sie? Zum Gärtner?«
    »Mademoiselle, Mademoiselle! Diese Fußabdrücke stammen von den kleinen, zierlichen und hochhackigen Schuhen einer Frau. Sehen Sie selbst – überzeugen Sie sich. Treten Sie bitte einmal auf den Erdboden neben die Abdrücke.«
    Susan zögerte eine Minute; dann stellte sie einen Fuß vorsichtig auf jene Stelle des Erdbodens, auf die Poirot gezeigt hatte. Sie trug kleine hochhackige Pumps aus dunkelbraunem Leder.
    »Sehen Sie – Ihr Abdruck ist fast genauso groß. Fast, aber nicht ganz. Diese hier stammen von einem etwas längeren Fuß als Ihrem. Vielleicht von Miss Chevenix-Gore – oder Miss Lingard – oder sogar von Lady Chevenix-Gore.«
    »Bestimmt nicht von Lady Chevenix-Gore – sie hat winzige Füße. Damals machten die Leute – damals gelang es ihnen, kleine Füße zu bekommen, meine ich. Und Miss Lingard trägt komische Treter mit flachen Absätzen.«
    »Dann sind es die Abdrücke von Miss Chevenix-Gore. Ach ja, ich erinnere mich, daß sie erwähnte, gestern abend noch einmal im Garten gewesen zu sein.«
    Vor ihr her ging er um das Haus zurück.
    »Suchen wir immer noch nach Spuren?« fragte Susan.
    »Aber gewiß doch. Wir begeben uns jetzt in Sir Gervases Arbeitszimmer.«
    Er ging voraus. Sie folgte ihm.
    Die Tür hing immer noch traurig in ihren Angeln. Das Zimmer selbst war genauso wie am vorigen Abend. Poirot zog die Vorhänge beiseite und ließ das Tageslicht herein. Eine Weile blieb er am Fenster stehen und blickte auf die Einfassung hinunter. Schließlich sagte er: »Mit Einbrechern, Mademoiselle, haben Sie wohl kaum Bekanntschaft?«
    Bedauernd schüttelte Susan Cardwell den Kopf.
    »Leider nicht, Monsieur Poirot.«
    »Auch der Chief Constable genießt nicht den Vorzug, freundschaftliche Beziehungen mit ihnen zu unterhalten. Sein Kontakt mit den verbrecherischen Schichten ist immer streng offiziell gewesen. Bei mir ist das anders. Ich hatte einmal mit einem Einbrecher eine äußerst angenehme Unterhaltung. Dabei erfuhr ich interessante Einzelheiten über diese bis zum Boden reichenden

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