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Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Titel: Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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wie die Susan Cardwells, sehr wachsam. Sie trug dasselbe Kleid wie bei Poirots Ankunft. Es hatte die blasse Farbe einer Aprikose. An ihre Schulter hatte sie eine lachsfarbene Rose gesteckt. Noch vor einer Stunde war diese Blume frisch und voll erblüht gewesen; jetzt fing sie an zu welken.
    »Ja?« sagte Ruth.
    »Es tut mir außerordentlich leid, Sie belästigen zu müssen«, begann Major Riddle. Sie unterbrach ihn.
    »Es ist doch nur natürlich, daß Sie mich belästigen müssen. Das haben Sie doch bei allen anderen auch gemußt. Aber ich kann Ihnen Zeit sparen: Ich habe nicht die leiseste Idee, warum der Alte sich erschossen hat. Ich kann Ihnen nur sagen, daß ihm gerade das überhaupt nicht ähnlich sah.«
    »Ist Ihnen an seinem Verhalten heute irgend etwas merkwürdig vorgekommen? War er deprimiert, oder ungewöhnlich erregt – ist Ihnen irgend etwas Ungewohntes an ihm aufgefallen?«
    »Das glaube ich nicht. Ich habe nichts bemerkt…«
    »Wann haben Sie ihn zum letztenmal gesehen?«
    »Beim Tee.«
    »Sind Sie danach noch in seinem Arbeitszimmer gewesen?« fiel Poirot ein.
    »Nein. Zum letztenmal habe ich ihn in diesem Zimmer gesehen. Er saß dort drüben.«
    Sie zeigte auf einen Stuhl.
    »Ich verstehe. Kennen Sie diesen Bleistift, Mademoiselle?«
    »Er gehört Colonel Bury.«
    »Haben Sie diesen Bleistift in letzter Zeit irgendwo gesehen?«
    »Das kann ich wirklich nicht genau sagen.«
    »Wissen Sie irgend etwas von einer – Unstimmigkeit zwischen Sir Gervase und Colonel Bury?«
    »Wegen der Paragon Synthetic Rubber Company, meinen Sie?«
    »Ja.«
    »Doch. Der Alte war darüber ziemlich wütend.«
    »Glaubte er vielleicht, beschwindelt worden zu sein?«
    Ruth zuckte die Schultern.
    »Von finanziellen Dingen hatte er nicht die geringste Ahnung.«
    »Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Mademoiselle – eine etwas impertinente Frage?«
    »Bitte, wenn Sie wollen.«
    »Es handelt sich – tut es Ihnen leid, daß Ihr – Vater tot ist?«
    Sie starrte ihn an.
    »Natürlich tut es mir leid. In Tränen zerfließen tue ich zwar nicht gerade. Aber ich werde ihn vermissen… Ich habe ihn sehr gern gemocht, den Alten. So haben wir, Hugo und ich, ihn immer genannt. Der Alte – wissen Sie, das stammt noch aus primitiven Zeiten, als wir vom Affen abstammten, und hat einen so schön patriarchalischen Klang. Es klingt zwar respektlos, aber trotzdem steckt in Wirklichkeit eine Menge Zuneigung dahinter. Natürlich war er eigentlich der kompletteste und dümmste alte Esel, der je gelebt hat!«
    »Das interessiert mich, Mademoiselle.«
    »Der Alte hatte das Gehirn einer Laus! Es tut mir leid, daß ich es aussprechen muß, aber es stimmt. Er war unfähig, mit seinem Kopf irgend etwas zu leisten. Vergessen Sie dabei nicht, daß er eine Persönlichkeit war – phantastisch tapfer und so weiter! Es machte ihm nichts aus, zum Pol zu fahren oder sich zu duellieren. Ich habe mir immer vorgestellt, daß er sich nur so aufplusterte, weil er genau wußte, daß mit seinem Kopf nicht viel los war. In diesem Punkt war er jedem anderen glatt unterlegen.«
    Poirot zog den Brief aus der Tasche.
    »Lesen Sie das, Mademoiselle.«
    Sie las den Brief und gab ihn dann zurück.
    »Deshalb sind Sie also hierhergekommen!«
    »Sagt er Ihnen irgend etwas – dieser Brief?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein. Wahrscheinlich stimmt es, was er schreibt. Diesen armen alten Mann hätte jeder betrügen können. John meint, der vorige Verwalter hätte ihn von hinten und von vorn begaunert. Wissen Sie – der Alte war so großartig und hochtrabend, daß er sich nie dazu herabließ, auf Einzelheiten zu achten! Gauner wurden von ihm förmlich angezogen.«
    »Das Bild, Mademoiselle, das Sie schildern, unterscheidet sich erheblich von dem sonstigen.«
    »Gott, ja – er verstand es ziemlich gut, sich zu tarnen. Vanda, meine Mutter, unterstützte ihn noch mit allen Kräften darin. Er war so glücklich, wenn er überall herumstakste und so tat, als wäre er Gott der Allmächtige. Das ist auch der Grund, daß ich in gewisser Weise über seinen Tod froh bin. Für ihn ist es so am besten.«
    »Leider kann ich Ihnen nicht ganz folgen, Mademoiselle.«
    Grübelnd sagte Ruth: »Es machte sich immer mehr bemerkbar bei ihm. Irgendwann hätte man ihn einsperren müssen… Die Leute fingen schon an, darüber zu reden.«
    »Wußten Sie, Mademoiselle, daß er sich mit der Absicht trug, ein neues Testament aufzusetzen, nach dem Sie sein Vermögen nur erben sollten, wenn Sie Mr. Trent

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