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Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Titel: Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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eine Rose angesteckt hatten. Um welche Zeit, Madame, holten Sie sich die Rose?«
    »Das weiß ich wirklich nicht.«
    »Aber es ist wesentlich, Madame. Überlegen Sie – denken Sie genau nach…«
    Ruth zog die Stirn kraus. Sie blickte Poirot flüchtig an und schaute dann wieder weg.
    »Genau kann ich es nicht sagen«, meinte sie schließlich. »Es muß – ja, natürlich – um ungefähr fünf Minuten nach acht muß es gewesen sein. Als ich nämlich wieder zurückging, hörte ich den Gong, und dann diesen komischen Knall. Ich beeilte mich noch, weil ich dachte, es hätte schon zum zweitenmal gegongt – und nicht erst zum erstenmal.«
    »Aha, das dachten Sie dabei – und machten Sie sich nicht am Fenster des Arbeitszimmers zu schaffen, als Sie in dem Blumenbeet standen?«
    »Das habe ich tatsächlich. Ich dachte, es wäre vielleicht offen, so daß ich auf diesem Weg schneller wieder ins Haus gekommen wäre. Aber es war verriegelt.«
    »Damit wäre alles erklärt. Ich gratuliere Ihnen, Madame.«
    Sie starrte ihn an.
    »Was soll das heißen?«
    »Weil Sie für alles eine Erklärung haben: für die Erde an Ihren Schuhen, für Ihre Schuhabdrücke im Blumenbeet und für Ihre Fingerabdrücke an der Außenseite des Fensters. Es paßt alles ausgezeichnet zusammen.«
    Noch ehe Ruth antworten konnte, kam Miss Lingard eilig die Treppe herunter. Auf ihren Wangen lag eine seltsame dunkle Röte, und sie machte einen leicht verwirrten Eindruck, als sie Poirot und Ruth nebeneinander stehen sah.
    »Verzeihen Sie«, sagte sie. »Ist etwas los?«
    Ärgerlich sagte Ruth: »Ich glaube, Monsieur Poirot ist verrückt geworden!«
    Sie drängte sich an den beiden vorbei und verschwand im Speisezimmer. Miss Lingard wandte Poirot ein erstauntes Gesicht zu.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Nach dem Frühstück«, sagte er, »werde ich alles erklären. Ich möchte gern, daß alle sich um zehn Uhr in Sir Gervases Arbeitszimmer einfinden.«
    Er wiederholte seine Bitte, als er das Speisezimmer betrat. Susan Cardwell warf ihm einen flüchtigen Blick zu und sah dann zu Ruth hinüber. Als Hugo »Wieso? Was ist denn los?« sagte, versetzte sie ihm einen kräftigen Stoß in die Seite, und gehorsam schwieg er.
    Als Poirot das Frühstück beendet hatte, erhob er sich und ging zur Tür. Er drehte sich noch einmal um und zog eine große altmodische Uhr hervor.
    »Es ist fünf vor zehn. In fünf Minuten also – im Arbeitszimmer.«
    Poirot blickte sich um. Ein Kreis interessierter Gesichter erwiderte seinen Blick. Jeder war gekommen, stellte er fest – mit einer einzigen Ausnahme; und im gleichen Augenblick betrat die Ausnahme auch schon das Zimmer. Mit leisen gleitenden Schritten kam Lady Chevenix-Gore herein. Sie sah verhärmt und elend aus.
    Poirot schob einen der schweren Sessel für sie zurecht, und sie setzte sich.
    Sie sah den zersplitterten Spiegel an, erschauerte und schob ihren Sessel ein wenig herum.
    »Gervase ist immer noch hier«, sagte sie in sachlichem Ton.
    »Armer Gervase… Aber bald wird er frei sein.«
    Poirot räusperte sich und erklärte: »Ich habe Sie alle gebeten, hierher zu kommen, damit Sie die wahren Tatsachen über Sir Gervases Selbstmord erfahren.«
    »Es war Schicksal«, sagte Lady Chevenix-Gore. »Gervase war stark, aber sein Schicksal war stärker.«
    Colonel Bury drängte sich nach vorn.
    »Vanda – Liebe.«
    Sie lächelte zu ihm auf, hob dann ihre Hand zu ihm hoch. Er ergriff sie. »Du bist wirklich ein Trost für mich, Ned«, sagte sie sanft.
    Mit scharfer Stimme sagte Ruth: »Wollen Sie damit sagen, Monsieur Poirot, daß Sie den Grund für den Selbstmord meines Vaters festgestellt haben?«
    Poirot schüttelte den Kopf.
    »Nein, Madame.«
    »Was soll denn dann dieser ganze Unsinn?«
    Ruhig sagte Poirot: »Den Grund für den Selbstmord von Sir Gervase Chevenix-Gore kenne ich nicht, weil Sir Gervase Chevenix-Gore nicht Selbstmord verübte! Er hat sich nicht selbst umgebracht. Er wurde vielmehr ermordet…«
    »Ermordet?« Verschiedene Stimmen wiederholten dieses Wort. Verblüffte Gesichter wandten sich Poirot zu. Lady Chevenix-Gore blickte auf, sagte: »Ermordet? O nein!« und schüttelte leicht den Kopf.
    »Umgebracht, sagten Sie?« Hugo war es, der jetzt sprach.
    »Unmöglich! Als wir die Tür aufbrachen, befand sich niemand im Zimmer. Die Tür war von innen abgeschlossen, und der Schlüssel steckte in der Tasche meines Onkels. Wie könnte er also ermordet worden sein?«
    »Trotzdem ist er ermordet worden.«
    »Und der

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