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Auch Santiago hatte einen Hund

Auch Santiago hatte einen Hund

Titel: Auch Santiago hatte einen Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Lindenthal
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länger als ich es vorhatte, sitze ich mit Schwester Ines im Speiseraum und sie erzählt mir - zu ihrer großen Freude unterhalten wir uns auf Spanisch - von den großen Sorgen ihres kleinen Klosters, von Sorgen finanzieller Art (die Erhaltung der Kirche übersteigt die Leistungskraft der kleinen Gemeinschaft bei weitem), vor allem jedoch personeller Art: Sie sind hier nur mehr zu fünft und in nächster Zeit ist kein Zuwachs zu erwarten.
    Mit der Kraft, die ich aus der Pause und dieser Begegnung geschöpft habe, kämpfe ich mich durch die brütende, schwüle Hitze, lasse einen kurzen Regenschauer über mich ergehen, der keine Abkühlung, nur das Ende meiner Mittagspause herbeiführt, und erreiche das Kloster MAUMONT schon um fünf Uhr. Die Information aus ANGOULÊME stimmt, ich werde von den Benediktinerinnen mit offenen Armen empfangen. MAUMONT hat im Gegensatz zu PUYPEROUX keine Nachwuchsprobleme, ich zähle bei der abendlichen Komplet in der Kirche an die 40 Nonnen. An den zahlreichen anderen Gästen, mit denen ich gemeinsam zu Abend esse, erkenne ich, dass das Kloster als Exerzitien- und Bildungshaus in der Region eine wichtige Rolle spielen muss. Es sind Teilnehmer an einem Besinnungswochenende und zwei ältere Ehepaare, die ihre Töchter im Kloster besuchen. Ich bin der einzige Pilger (immer noch, seit meinem Aufbruch vor ewigen Zeiten!), beim Abendessen muss und darf ich einer äußerst interessierten Hörerschaft von meiner Pilgerreise quer durch Frankreich berichten. Ich gestehe, dass ich es auch genieße, von meinen Abenteuern und Begegnungen zu erzählen und im Mittelpunkt zu stehen. Als einziger nicht zahlender Gast bekomme ich den alten, etwas einfacheren (dass ich nicht lache, der reine Luxus für einen Pilger!) Gästetrakt zugewiesen. Ich bin rundherum zufrieden, eigentlich glücklich, denn der heutige Tag hat mir unvergessliche, wunderbare Begegnungen geschenkt!
     
    Ajiz in Afrika
     
    Es klingt großartiger, als es tatsächlich war, aber ungewöhnlich ist es halt doch: dass ein nordischer Hund mit der Fähre das Mittelmeer überquert. Außerdem zeigt es, dass Ajiz auch bei größeren Reisen mein Begleiter war (und nicht nur beim Gassigehen). Da es im Dezember auch in Südfrankreich empfindlich kalt werden kann und mein Häuschen in Saint-Jean außer dem offenen Kamin (Energieverlust über 80%!) über keine Heizmöglichkeit verfügte, kam die Einladung von meinem Freund Wolfgang, ihn und seine Frau Christine in Tunesien zu besuchen, gerade recht. Ich kenne Wolfgang, er ist Wiener, aus meiner Zeit als Entwicklungshelfer in Mexiko; im Gegensatz zu mir hat er aber den Neuanfang in Österreich nicht geschafft und blieb in der Entwicklungszusammenarbeit (was für ein Wortungetüm!) hängen. Seit seinem Einsatz in Tunesien vor 20 Jahren hat er dort sein Basislager aufgeschlagen (vom Klima her verstehe ich ihn gut!) und freut sich immer über Besuch von Freunden. Da ich Zeit (was wäre ein Sabbatjahr, wenn man keine Zeit hat?) und für die Fähre von Marseille nach Tunis genug Geld hatte, es außerdem eine schöne Gelegenheit war, der klammen Kälte meines Steinhauses zu entkommen, nahm ich Wolfgangs Einladung gerne an. Die Überfahrt verlief problemlos, einziger Wermutstropfen war der Umstand, dass ich Ajiz in einen der Hundekäfige auf dem Sonnendeck sperren musste: „Hunde im Passagierraum streng verboten!“ Schweren Herzens leistete ich der strengen Aufforderung Folge - ich sah’s ja ein -, aber Ajiz im Käfig, das ging mir gewaltig gegen den Strich. Zum Glück hatte der Steward Verständnis für meine Not; es waren kaum Touristen an Bord und Ajiz war der einzige Hund, sodass er mir erlaubte, das Sonnendeck trotz Wintersperre (Dezember = Sturm und Kälte) nach Belieben zu betreten. Wetterfest und hundenärrisch wie ich war, verbrachte ich fast die gesamte Überfahrt mit Ajiz auf dem Sonnendeck der Fähre und leistete mir gar den Regelbruch, ihn aus dem Käfig zu lassen. Das Wetter war nicht übel und wir hatten Meer und Schiff - vom Sonnendeck aus gesehen - für uns allein: Es war eine schöne Reise nach Afrika!
    Die Woche in Tunis verlief für Ajiz nicht so angenehm, denn Wolfgangs Hund Rolf (richtig geraten, ein Schäferhund!), älter, größer, stärker und rauflustiger als Ajiz, war eifersüchtig und fühlte sich ständig verpflichtet, sein Territorium zu verteidigen. Wir hatten zwar alles unternommen, um das zu vermeiden - so hatten wir z. B. die beiden Hunde einander auf neutralem Boden,

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