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Auch sonntags Sprechstunde

Auch sonntags Sprechstunde

Titel: Auch sonntags Sprechstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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schließlich auf den Telefonsummer und bat den nächsten Patienten herein.
    Nach einem weiteren hektischen Tag war der erste, der in meine Sprechstunde kam, der aufreizend braungebrannte, von Indien zurückgekehrte Herbert Trew.
    »Ich kann nicht behaupten, daß ich bedaure, dich zu sehen«, sagte ich, ohne eine Miene zu verziehen.
    Er schlug mir fröhlich auf die Schulter, wobei das Monokel aus seinem Auge fiel und einen Stapel Notizen von meinem Schreibtisch fegte. Dann setzte er sich in den Patientenstuhl.
    »Freu dich, mein Alter. So schlimm wird es nicht gewesen sein. Herbert ist zurück, und die Patienten sagen, du seist da gewesen. Besonders Clarissa hat das stark betont.«
    »Die in dem verrückten Haus?«
    Herbert nickte.
    »Sie hat allerdings nicht viel von mir profitiert.«
    »Ihr Gebelle ist schlimmer als ihr Biß. Man muß nur wissen, wie man sie zu behandeln hat.«
    »Ich wette, du weißt das genau.«
    »Bißchen anders als deine Vorstadtpatienten, was?«
    »Sie sind letzten Endes alle gleich.«
    »Wer?«
    »Die Menschen.«
    »Keine Unterschiede?« Herbert zog eine Spritze aus seiner Manteltasche und eine Phiole dazu. »Ich habe das Zeug von einem Quacksalber in Karachi bekommen. Sie machen es aus Elefantenhoden. Es wirkt Wunder.«
    »Welche Wunder?«
    »Für alles. Für jeden. Macht den Unfruchtbaren fruchtbar, den Depressiven munter, den Manischen depressiv, den Dünnen dick, den Dicken dünn. Und welchen Kummer hast du?«
    »Meine Sprechstundenhilfe hat gekündigt.«
    »Hübsch?«
    »Nichts dergleichen, eher hausbacken.«
    »Das ist doch kein Grund zum Jammern. Ich habe für dich die perfekteste, zuverlässigste Hilfe diesseits der Themse. Schnell, tippt wie ein Maschinengewehr, Kurzschrift einhundertvierzig Silben.
    Maße: 38:24:38 Inches.« Er zog sein Notizbuch heraus und notierte etwas.
    »Ich werde sie noch heute vormittag herschicken.«
    »Das ist furchtbar nett von dir, Herbert. Aber weißt du denn, ob sie frei ist?«
    Er warf mir einen prüfenden Blick zu. »Sie ist frei. Ich muß mich beeilen, danke dir für alles. Wenn ich was für dich tun kann, sag mir’s. Tjüs dann.«
    »Tjüs«, sagte ich zu den vier Wänden. »Hals- und Beinbruch und so weiter.«
    Wir machten ohne Sprechstundenhilfe weiter. Sylvia weigerte sich standhaft, als ich sie über das Telefon bat, mir zu helfen. Am Ende der Sprechstunde kochte ich vor Wut über Sylvias Benehmen, abgehetzt, umgeben von Papieren und Briefen, die dringend erledigt werden mußten, und überzeugt, daß ich den falschen Leuten die falschen Rezepte gegeben habe. Man macht sich niemals klar, wie abhängig man eigentlich von einer Sekretärin ist. Ich betete, Herberts Angebot möge erscheinen.
    Ich hatte gerade Mrs. Fairclough entlassen, zwei Zentner schwer, gerade noch fähig, sich durch die Tür zu pressen, die ich hinter ihr verschloß, um in die Wohnung zu gehen und mit meinem rebellischen Weib zu reden. Es roch noch nicht nach Essen, dafür aber drang von oben ein wilder Lärm herunter.
    »Sylvia!«
    Keine Antwort. Der Lärm wurde stärker.
    »Sylvia!«
    Müde stieg ich die Treppe empor.
    In unserem Schlafzimmer bot sich mir ein seltsamer Anblick, der mich an einen Eingeborenentanz erinnerte. Die Zwillinge in ihren Schlafanzügen und Sylvia rasten im Zimmer herum, sprangen auf die Betten, rissen sich gegenseitig wieder hoch und sangen eine Art von Beschwörungslied, dessen Worte ich nicht Verstehen konnte. Sie bemerkten mich eine Zeitlang nicht. Meine Geduld war zu Ende.
    »Aufhören! Mund halten!« schrie ich. »Seid augenblicklich still!«
    Beim Klang der Stimme ihres Herrn fielen sie in einem wilden Knäuel atemlos aufs Bett.
    »Nun«, sagte ich, »vielleicht ist einer von euch so freundlich, mir zu sagen, was in diesem Tollhaus vor sich geht.«
    Sie brüllten gemeinsam auf mich ein, wiederum verstand ich kein Wort.
    »Peter«, sagte ich, »du als mein ältester Sohn... «
    »Ich bin fünf Minuten älter als er«, sagte Penny.
    »... als mein ältester Sohn wirst mir jetzt augenblicklich sagen, was geschehen ist.«
    »Mamas Buch ist fertig.«
    »Mama hat ihr Buch fertig«, wiederholte Penny.
    »Ich habe das Buch fertig«, sagte Sylvia strahlend.
    Ich runzelte die Brauen. »Dann laßt uns gemeinsam Gott danken. Vielleicht werden wir von nun ab wieder ordentlich versorgt und ernährt.«
    Sylvia setzte sich auf. »Es wird noch eine Fortsetzung bekommen«, drohte sie. »Ich habe schon damit angefangen.«
    Ich setzte mich aufs Bett zu ihnen und

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