Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
anmelden. Sie sagte, zu wem sie wollte. Er fragte nach ihrem Namen. Dann griff er zum Telefon.
» Mike, hier ist eine Kommissarin aus Deutschland. Lene Becker. Kann sie raufkommen?« Dann nickte er zustimmend. »5. Stock. Detective Fuller erwartet Sie.«
Sie hatte jetzt Herzklopfen. Alles hing davon ab, wie er ihre Einm ischung aufnahm. Sie sandte ein Stoßgebet zum Himmel. Dann merkte sie, dass sie mit dem Paternoster hinauffahren musste. Vater unser - wie passend zu meinen Gedanken, lachte es in ihr. Interessiert beobachtete sie die Ein-und-Aussteigenden, machte es ihnen dann nach in den laufenden Fahrstuhl zuzusteigen. Oben eine Tür mit Goldbuchstaben auf der Mattglasscheibe. Wie im Humphrey Bogart Film, dachte sie. In den Dreißigern. Als die Stimme auf ihr Klopfen antwortete, trat sie ein. Ein attraktiver Mittvierziger, mit klaren, gut geschnittenen Zügen, gepflegt, selbstbewusst, sah ihr entgegen. Freundlich. Sie atmete auf. Kein Klischee vom brüllenden, schwitzenden, hemdsärmeligen Bullen. Seine blauen, durch das dunkle Haar sehr intensiven Augen faszinierten sie. Sie verengten sich etwas, als sie sich vorstellte. Lange studierte er ihren Dienstausweis.
» Nuremberg? I know that’s in Bavaria. What can I do for you?« Immer noch freundlich.
Sie holte tief Luft. »Ich komme im Auftrag von Dr. York. Er ist mein Onkel. Seine Tochter, Joanne York, wurde vorgestern hier in San Francisco tot aufgefunden, zusammen mit ihrem Verlobten Marc Snyder. Mein Onkel und meine Tante sind außer sich vor Schmerz. Sie baten mich mit Ihnen zu sprechen.«
» Ja, ich weiß von den Morden. Eine Tragödie. Nur, ich muss meinen Sergeant dazu bitten. Er weiß mehr über den Fall.«
Er fuhr sich ner vös durch sein dichtes Haar, ging durch den Raum und öffnete eine Tür auf der anderen Seite. Hier sah es jetzt aus wie sie es sich vorgestellt hatte. Es war laut, es herrschte ein richtiges Chaos und alle liefen durcheinander, hingen am Telefon oder sprachen mit wem auch immer, Verdächtigen oder Leuten, die eine Anzeige machen wollten. Doch Kino? Nein, man sah, dass hinter dem äußeren Eindruck effizient gearbeitet wurde.
» Bill? Please, come here«, rief Mike Fuller. Ein sehr kräftiger Schwarzer erhob sich und kam gemächlich zu ihnen herüber. Ein bulliger Bulle, dachte Lene, sich innerlich über ihren Aphorismus mokierend.
» That’s Sergeant Bill Edwards. Er hat den Fall bearbeitet. Ich war zu der Zeit mit einem anderen Mord beschäftigt. Das sechzehnjährige Au-pair-Mädchen eines Stadtrats von hier. Schreckliche Geschichte. Deshalb … Bill, dies ist die Cousine des Opfers Joanne York. Ms. Becker ist bei der Kriminalpolizei in Deutschland.«
Bill Edwards ’ Blick verengte sich. Seine Gesichtszüge wurden abweisend. Aber Lene hielt seinen Blick fest.
» Ich möchte mich im Auftrag meines Onkels, des Vaters von Joanne, nach den genaueren Umständen erkundigen«, wiederholte Lene ihr Sprüchlein. Und entschied sich, gleich zur Sache zu kommen.
» Hat die Obduktion von ihr oder ihrem Verlobten schon stattgefunden?«
» Was geht sie das an«, wandte sich Edwards an Mike Fuller. »Sie hat hier gar nichts zu fragen. Kommt hier rein und will sich in unsere Ermittlungen einmischen.«
Lene empfand plö tzlich eine Abneigung gegen ihn, gegen seine provozierende Art. Er schien ihr bewusst zu übertreiben. Gleichzeitig fragte sie sich, ob ihre Antipathie dadurch kam, dass er schwarz war. Aber nein, da war sie sich sicher. Sie fragte nie nach Nationalität oder Hautfarbe. Der Mensch war ihr wichtig, egal aus welchem Umfeld oder welcher Kultur er kam. Und dieser Mensch war ihr einfach unsympathisch. Sie schob den Gedanken weg. Sie musste ihn dazu bringen zu kooperieren. Da versuchte schon Fuller eine Brücke zu bauen.
» Versetz dich in ihre Lage, Bill. Du würdest auch wissen wollen, was passiert ist, wenn es deine Cousine in Deutschland wäre. Also, es bricht dir kein Zacken aus der Krone, wenn du ihr sagst, was du weißt.«
Bill Edwards zö gerte. Dann sah er sie wieder an.
» Na ja, war ja wohl ein hübsches Ding, die ich da vorgefunden habe. Aber der Schuss ist in den Kopf gegangen. Großes Kaliber. 9 mm. Hat ihr die halbe Stirn weggerissen. Was soll ich sagen. Sie war sofort tot. Da braucht man nicht viele Obduktionsweisheiten. Konnte man sofort sehen.«
Lene kä mpfte gegen Übelkeit. Es ging doch um Joanne. Anders als bei ihren Fällen. Zudem klang seine Diagnose nicht gerade professionell. Aber sie fragte
Weitere Kostenlose Bücher