Auf all deinen Wegen - Lene Beckers erster Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
nachgedacht. Das einzige Motiv, das ich mir denken kann, wäre, dass er Joanne Prüfungsfragen hat zukommen lassen und sie dann mit seinen Ansprüchen auf Bezahlung in Form einer Liebesnacht oder ähnlichem so nervte, dass sie gedroht hat zum Dekan zu gehen. Dann wäre seine Karriere zu Ende gewesen. Was meinst du?«
Lene schü ttelte den Kopf.
» Nicht richtig plausibel. Dann müsste doch Joanne aufdecken, dass sie bei der Prüfung geschummelt hat und das würde sie das Examen kosten. Irgendwie war sie für so etwas zu geradlinig. Obwohl – dies Abendessen mit ihrem Professor war schon seltsam. Was wollte sie von ihm? Wer könnte darüber noch mehr wissen als Sarah? Vielleicht auch Fred? Wir sollten ihn fragen. Aber warum hätte der die Auseinandersetzung mit Joanne vor Marc haben sollen? Oder war er währenddessen oben im Schlafzimmer und Rosinski wusste es nicht? Merkte es erst, als er Joanne in den oberen Bereich nachlief?«
Dann erö rterten sie noch die Gedankengänge von Bill Edwards. Mike hatte sich einen Durchsuchungsbeschluss für die Garage von Johns Eltern geholt. Er wollte am nächsten Morgen so schnell wie möglich mit John zurückfahren und sich von ihm die Kleidungsstücke geben lassen, die er am Mordabend getragen hatte. Er wollte vermeiden, dass die Eltern in ihrer Trauer etwas davon mitbekämen – es sei denn, die Ergebnisse machten das unumgänglich. Und da es, außer vielleicht jemanden bei Vito’s , niemanden gab, der bestätigen konnte, dass er die wirklich an dem Abend getragen hatte, auch seine anderen Kleidungsstücke auf eventuelle Blutspritzer untersuchen lassen. Die Kriminaltechnik wusste schon Bescheid und würde sofort damit anfangen um möglichst bald Ergebnisse vorliegen zu haben. Seine Fingerabdrücke wollten sie dort gleich zum Abgleich nehmen. Das gleiche galt auch für Iris. Auch hier hatte er eine Durchsuchungsgenehmigung in der Tasche, musste aber bei ihr keine Rücksicht auf ihre Trauer nehmen und würde die Durchsuchung, bei ihr ebenfalls nach den Kleidungsstücken wegen eventueller Blutspritzer, auch ohne sie vornehmen. Plötzlich sah Lene den Wäschetrockner vor sich, den sie während der Hausdurchsuchung bei Fred geöffnet hatte.
» O nein, in dem Wäschetrockner bei Fred Masters war noch Wäsche – offensichtlich gerade gewaschen und getrocknet. Bitte achtet ihr darauf – zwei Shirts von Fred, blau und grau, ein Sweatshirt - offensichtlich von Iris – ebenso eine blaue Jacke, mehr dunkelblau. Zwei Jeans, eine große und eine kleine.«
» Die Sachen habe ich am Abend noch mitgenommen, als ich die Ordner geholt habe. Sind schon zur Analyse. Da habe ich auch die Turnschuhe von Fred zusammen mit allen anderen Schuhen mitgenommen.«
Er berichtete von den Blutspuren auf Freds Sweatshirt.
»Die Sachen von Iris sind erst heute dran. Aber – ach, es macht einfach Spaß mit dir zusammenzuarbeiten.«
» Nur zu arbeiten?
Lene rutschte etwas mehr unter die Bettdecke.
Mike holte tief Luft.
Dann sah er sie an und plö tzlich wurde sein Gesicht weich und seine Augen verdunkelten sich. Er zog Lene an sich.
» Wir sollten jetzt alle aus unserem Bett werfen und uns um uns kümmern«, murmelte er in ihr Haar. »Du riechst so gut und das bringt mich auf einen Gedanken …«
Kapite l 34
Sonntag, 10. April
Lene ging durch die kü hle Morgenluft und fühlte sich so unendlich wohl und frei. Noch waren da seine Arme, sein Mund, sein sehniger Körper – so nah. Wie seltsam, jetzt war sie wieder auf dem Weg zu dem Haus voller Trauer. Sie hatte immer mit dem Spruch, dass Freud’ und Leid oft nahe zusammenliegen, nichts anfangen können. Aber jetzt hatte sie es selbst erfahren, fühlte sich so unheimlich lebendig, und gleichzeitig lag darunter noch die Trauer von der Beerdigung. Leise schlich sie sich ins Haus, fand Sophie schlafend vor. Lene ging in das indirekt und so sanft beleuchtete Badezimmer. Hier spürte sie Joannes Anwesenheit am intensivsten. Liebevoll sah sie auf den heiligen Franziskus in seinem gläsernen Garten. Wer hat wohl diese zauberhafte, wenn auch etwas kitschige Idee für ein junges Mädchen gehabt? San Francisco, der heilige Franziskus begegnete einem in Kalifornien überall. Aber in diesem Badezimmer war er etwas ganz Besonderes, etwas so Heiles. Jungmädchenträume. Hier waren sie greifbar. Wer hatte nur dies alles zerstört? Sie ging ins Bett und wusste, dass sie noch nicht schlafen konnte. Die Ordner! Sie griff sich den älteren von Martin Masters
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