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Auf Amerika

Auf Amerika

Titel: Auf Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Schroeder
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Schwiegertochter in der Küche, schlürfte seinen Milchkaffee, brockte Brot hinein und schaute beim Kochen zu. Die Geräusche aus der Werkstatt, die sich durch ein paar neue Maschinen verändert hatten, hörte er kaum noch. Wer mit ihm sprach, musste schreien. Später setzte er sich auf die Bank vor dem Haus, die sein Vater vor etwa siebzig Jahren, also noch im letzten Jahrhundert, gebaut hatte, und er schaute dem Treiben vor der Schreinerei zu. Da schleppten die beiden Lehrlinge Holz in die Schreinerei, da wurden vom Sägewerk Bretter angeliefert, und der Vertreter von der Beschlägefirma grüßte freundlich, ehe er in der Schreinerei verschwand.
    Grüß Gott, Holzervater, rief ich, wenn ich ihn auf seiner Bank sitzen sah. Er hörte mich nicht. Mit dem Elf-Uhr-Läuten ging der alte Holzer in die Wirtschaft, trank ein Bier und ging wieder heim, wo es Essen gab. Nach dem Essen schlief er ein Stündchen, danach saß er bei gutem Wetter im Obstgarten hinten auf der Bank, die er sich erst vor ein paar Jahren rund um einen Apfelbaum herum gebaut hatte, die Protestbank, wie er sie für sich nannte. Solange die da steht, schneidet den Baum keiner ab.
    Er schaute in die Gipfel der Bäume, schaute den Amseln zu und war traurig, dass er sie nicht mehr hören konnte. Manchmal sprach er zu den Bäumen. Blüht nur, blüht, es kann das letzte Mal sein. Bald ist es Zeit, wenn ich geh, müsst ihr auch gehen. Und als hätten sie ihn verstanden und ahnten, was sich verändern würde, blühten sie schöner denn je und trugen viel Obst, das auf dem Boden verfaulte, weil keiner mehr Zeit hatte, es aufzusammeln, daraus Most zu machen oder es für den Winter in der Stube auf langen Tischen zu lagern, damit ihr Geruch durch das Haus zog, vor allem, wenn es Bratäpfel gab. Vor ein paar Jahren waren noch die Flüchtlinge gekommen und hatten die Äpfel und Birnen und Zwetschgen geholt, dass man regelrecht schauen musste, dass einem genug blieb für über den Winter. Jetzt hatten die Flüchtlinge selber Obstbäume. Auch wir hatten welche, auf die mein Vater sehr stolz war. Er hatte sie vom Herrn Hochwürden bekommen, der nebenher ein Apfelzüchter war.
    Martin-Junior wollte den Obstgarten abholzen, um eine neue Halle zu bauen. Er wollte in größeren Mengen Türen produzieren, brauchte dazu eine Fabrikationshalle für Furnierpressen und dergleichen. Der alte Holzer, der sich gegen das Ansinnen, dafür die Obstbäume zu fällen, heftig wehrte, wusste, dass sein Sohn nur noch seinen Tod abwartete, um seine Pläne zu verwirklichen. Es gab, das ahnte er, kein Aufhalten. Es würde eine neue Zeit kommen, die nicht mehr seine Zeit war.
    Da saß er dann schon im zeitigen Frühjahr und bis in den Herbst hinein in seinem Obstgarten, der schon der Obstgarten seiner Eltern und seiner Großeltern gewesen war, und er erlebte noch einmal den Lauf des Jahres. Am Abend ging er dann wieder in die Wirtschaft. Jeden Abend. Dort fand das Leben statt, das es in der Familie nicht mehr gab, wo keiner mehr Zeit für den anderen hatte und keine Geduld mit dem Schwerhörigen.
    In der Wirtschaft gab es Gespräche mit den Bauern und dem Veit, Neuigkeiten vom Wirt oder vom Hochzeitslader, Diskussionen mit den Flüchtlingen, Streitereien mit meinem Vater und seiner Besserwisserei, Hochmut, Verbrüderung, Kartenspiel und vor allem das Biertrinken. Da hier alle sehr laut waren, verstand sie der alte Holzer ganz gut, und was er nicht verstand, das dachte er sich dazu. Ohne Rausch ging er nicht nach Hause. Leicht torkelnd und auch singend manchmal, in Lauterbach, in Lauterbach hab ich mein Strumpf verlorn, mein Strumpf verlorn, schaffte er immer mühelos die hundertfünfzig Schritte, immer die Dorfstraße entlang bis zur einzigen Kurve, in der das Holzer’sche Anwesen stand. Am Sonntag ging er in die Kirche, stand hinten bei den Männern, verließ mit ihnen gleich nach der Wandlung das Gotteshaus und ging ans Grab, wo seine Eltern, seine beiden im ersten Krieg gefallenen Brüder, seine Schwester, sein erster Sohn Sebastian, der im letzten Krieg gefallen war, und seine vor dreißig Jahren gestorbene Frau Anna liegen. Er wird, dachte er, jetzt wohl der Nächste sein.
    Ich mach’s nicht mehr lang, sagte er eines Abends im Spätherbst zu den Männern am Stammtisch, und er ging früher als gewohnt. In der Nacht wachte der Martin junior auf, denn im alten Teil der Werkstatt waren Geräusche zu hören. Er stand auf, ging hinüber und sah durchs Fenster, dass sein Vater an der

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