Auf Befehl des Königs
Marguerite erneut in Erstaunen. Dann nahm Orrick sie wieder bei der Hand und führte sie in ihr Zimmer. Marguerite hatte sich für ihren Gemahl, nach dem sie sich so sehr gesehnt hatte, eine besondere Überraschung ausgedacht.
"Warum hat Henry gelacht?", fragte sie auf dem Weg durch das Gewirr der Gänge im Palast.
"Er wollte wissen, was ich getan hätte, wenn er gefordert hätte, du sollst die Nacht mit ihm verbringen."
"Was hast du geantwortet, das ihn so amüsierte?"
"Ich versicherte ihm, dass ich ihn für einen Ehrenmann halte und einen gerechten König, der es nicht nötig hat, einem treuen Untertan die Frau wegzunehmen. Er entgegnete, er habe diese Worte erst vor kurzem gehört, und lachte."
Vor der letzten Abzweigung des Korridors, der zu ihrem Zimmer führte, hob Orrick sie in die Arme und küsste sie. Falls François sich über den Anblick wunderte, ließ er sich nichts anmerken, öffnete höflich die Tür und zog sie hinter dem Paar leise ins Schloss.
"Wein und die Gesellschaft eines alten Freundes sind zwar ein schlechter Ersatz für eine schöne willfährige Frau, aber mehr kann ich Euch nicht bieten, Henry."
Der König nahm den Kelch entgegen, setzte sich an den Tisch und wies Godfrey an, gleichfalls Platz zu nehmen. Er holte einen kleinen Lederbeutel mit Goldmünzen aus der Schublade und warf ihn dem Mann zu, der ihm unzählige Male den Rücken gestärkt hatte.
"Wie fühlt man sich eigentlich, wenn man immer Recht behält?", erkundigte sich der Monarch ein wenig säuerlich. "Werdet Ihr bescheiden bleiben, wie es einem Mann Gottes ansteht, oder werdet Ihr mich in Zukunft ständig daran erinnern?"
"Das hängt davon ab, wie viele Münzen in diesem Beutel sind", erwiderte Godfrey verschmitzt und wog das Säckchen in der Hand. "Wenn das Geschenk großzügig ausgefallen ist, übergehe ich diesen Vorfall vielleicht."
"Pah! Ihr vergesst nichts. Manchmal frage ich mich, ob Eure Berichte über die Königin in all den Jahren ein Segen oder ein Fluch für mich waren."
Es war Godfrey de Poitiers gewesen, ein Ritter im Hofstaat von Eleonore, der Herzogin von Aquitanien, der als Unterhändler in den Heiratsverhandlungen zwischen dem Haus Anjou und der vor kurzem abgesetzten Königin von Frankreich fungiert hatte. Seine Bemühungen, seine Geheimhaltung und Diskretion hatten dazu beigetragen, dass Henry Plantagenet die Königin für sich gewonnen hatte, dazu ihre Ländereien, die er seinem Reich einverleibte. In seinem Kampf gegen König Stephan und seinem jahrelangen Warten auf den englischen Thron, hatte dieser Reichtum den Ausschlag für seinen Erfolg und seinen Sieg gegeben.
Bei allem Zwist zwischen dem König und der Königin und den Prinzen war Godfrey auch nach seinem Entschluss, ins Kloster zu gehen und nur noch Gott zu dienen, Henrys treuer Freund geblieben, ein Vertrauter, auf den er zählen konnte, wenn auf keinen anderen Verlass war.
"Würdet Ihr eine andere Entscheidung treffen, wenn Ihr die Zeit zurückdrehen könntet?", wollte Godfrey wissen. "Damit stelle ich Euch eine echte Gewissensfrage."
"Diese habe ich mir oft gestellt, manchmal täglich im Hinblick auf Eleonores Niedertracht, aber die Antwort bleibt unverändert. Ich würde viele Dinge anders machen, aber diese Entscheidung würde ich nicht widerrufen."
"Zieht Ihr in Erwägung, den Hausarrest gegen sie aufzuheben?"
"Ich weiß, dass Eure Treue zunächst ihr galt, Godfrey. Mir ist bekannt, wie sehr Ihr darunter leidet, aber Gott allein weiß, wann dieser Zank zwischen uns beigelegt sein wird." Die Freunde sprachen schweigend dem Wein zu, denn das Thema Eleonore war für beide zu schmerzhaft, um es lange zu erörtern.
"Kann ich Euch sonst noch irgendwie zu Diensten sein, Hoheit?"
Wenn Godfrey den König formell ansprach, neigte sich das Gespräch dem Ende zu. Aber eine Sache lag dem Herrscher noch auf dem Herzen, die er Marguerite gegenüber nicht erwähnt hatte. "Wegen Marguerites Schwester …"
"Dominique?"
"Ja. Sie tut mir Leid. Ich war der Meinung, sie habe sich mir aus freien Stücken angeboten, ohne zu ahnen, dass ihr Vater dahinter steckte, der sie praktisch zu diesem Schritt gezwungen hatte. Wenn ich etwas für sie tun kann …" Er hielt unschlüssig inne, wusste nicht, wie er der bedauernswerten jungen Frau helfen konnte.
"Ihr seid ein ehrenhafter Mann, Henry, und ein gerechter König", versicherte Godfrey.
Der Monarch erhob sich und schlug dem Mönch freundschaftlich auf die Schulter. "Diese Worte hörte ich heute
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